... |
2005-08-22
Pressemitteilung zu der Durchsuchung der Redaktionsräume im
Wendland veröffentlicht von RAV-Geschäftsstelle am 22-08-2005 11:42
Republikanischer
Anwältinnen- und Anwälteverein e.V.
Am 11.08.2005 wurden im Wendland die Redaktionsräume der Zeitschrift
"Anti-Atom-Aktuell" (aaa) von ca. 50 Polizist/innen und Angehörigen der
Staatsschutzabteilung durchsucht. Beschlagnahmt wurden 3 PCs und zahlreiche
Datenträger. Hintergrund der Durchsuchung ist die Ankündigung einer
Yomango-Modenschau am 10.08.2005 auf der Seite des Prekär-camps, die
allerdings angesichts des Wetters ausfiel. Die Durchsuchung erfolgte einen
Tag später. Einer der Redakteure der aaa hatte die Seite des Prekär-camps
angemeldet
Pressemitteilung zu der Durchsuchung der Redaktionsräume im Wendland
Am 11.08.2005 wurden im Wendland die Redaktionsräume der Zeitschrift
"Anti-Atom-Aktuell" (aaa) von ca. 50 Polizist/innen und Angehörigen der
Staatsschutzabteilung durchsucht. Beschlagnahmt wurden 3 PCs und zahlreiche
Datenträger. Hintergrund der Durchsuchung ist die Ankündigung einer
Yomango-Modenschau am 10.08.2005 auf der Seite des Prekär-camps, die
allerdings angesichts des Wetters ausfiel. Die Durchsuchung erfolgte einen
Tag später. Einer der Redakteure der aaa hatte die Seite des Prekär-camps
angemeldet. Neben den Redaktionsräumen wurden auch weitere private Räume
durchsucht.
"Yomango - weil man Glück nicht kaufen kann" ist der Name einer spanischen
Bewegung, die als Reaktion auf die zunehmende Verarmung der Gesellschaft und
die steigenden Gewinne der Konzerne öffentliche Klau-Aktionen durchführt, um
diejenigen, die zum Überleben auf das Klauen angewiesen sind, aus der
gesellschaftlichen Schmuddelecke rauszuholen. Mit den Aktionen soll das
Tabu, über die zunehmende Verarmung zu sprechen, gebrochen werden. Hierbei
ist zu beachten, dass Diebstahl unter € 300 in Spanien eine
Ordnungswidrigkeit und keine Straftat ist. So standen bei einigen der
Aktionen Polizisten tatenlos daneben.
Wörtlich heißt es in dem Durchsuchungsbefehl:
"Der Beschuldigte steht im Verdacht, öffentlich und durch Verbreiten von
Schriften zu einer rechtswidrigen Tat aufgefordert zu haben, indem sie auf
der Internetseite zum Prekär Camp eine 'Yomango-Aktion' am 10. August 2005
angekündigte."
Ein zweiter Durchsuchungsbefehl gegen eine weitere Person wurde kurzfristig
erwirkt, nachdem die anwesende Anwältin eine eigenmächtige Durchsuchung
ihrer Wohnung durch die Polizei verhindern konnte. Um diesen
Durchsuchungsbefehl zu unterschreiben, wurde der Richter am Amtsgericht
Dannenberg Stärk aus einer laufenden Verhandlung gerufen. Diese Person hat
mit der hier erwähnten Internetseite nichts zu tun, sondern ist auch
Mitglied der Redaktion der aaa. In einem späteren Gespräch räumte der
Richter ein, in der Eile von der Notwendigkeit einer weiteren
Hausdurchsuchung überzeugt worden zu sein. Außerdem sei er ihm der Umgang
mit dem Internet nicht vertraut. Dass es sich um Redaktionsräume gehandelt
habe, sei ihm nicht bekannt gewesen.
Die Durchsuchung ist im Zusammenhang zu sehen mit einer verschärften
Verfolgung von Internet-Journalist/innen. Vor einiger Zeit wurden schon die
Räume der verantwortlichen Redakteurin der Seite "labournet" durchsucht,
weil auf einem gefälschten Schreiben der Hinweis auf diese Seite zu lesen
war.
Der RAV verurteilt diese Durchsuchung als völlig unverhältnismäßig. Alle für
eine Verfolgung notwendigen Tatsachen standen vor der Durchsuchung fest: der
Inhalt der Internetseite und die presserechtliche Verantwortlichkeit für
diese Seite. Weitere Beweise wären für ein Strafverfahren nicht
erforderlich. Die angebliche Tat hat nicht stattgefunden. Trotzdem fand
einen Tag später die Durchsuchung statt.
Es entsteht so der Verdacht, dass hier eine aus Sicht der Staatsanwaltschaft
gute Gelegenheit genutzt wurde, sich Daten über eine nicht genehme
Publikation, die aaa, zu verschaffen. Hierin ist ein unverhältnismäßiger
Eingriff in die Pressefreiheit zu sehen. Auch die gesetzlichen
Schweigerechte von Redakteur/innen über Informant/innen wurden so wegen
eines geringfügigen Vorwurfs schwer verletzt.
Der Vorgang zeigt außerdem in aller Deutlichkeit die Missachtung der
Wächterfunktion durch die Gerichte. Aufgrund der Schwere des
Grundrechtseingriffs sind einige polizeiliche Ermittlungshandlungen, so die
Wohnungsdurchsuchung, mit einem Richtervorbehalt ausgestattet. Der Richter
soll eigenständig das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen prüfen.
Eine Untersuchung der Universität Bielefeld zur Telefonüberwachung kam 2002
zu dem Schluss, dass die richterlichen Beschlüsse fast 100%ig mit den
Anträgen der Staatsanwaltschaft übereinstimmten. Nur in einem von 307 Fällen
wurde der Antrag zurückgewiesen. Das Vorgehen im vorliegenden Fall zeigt,
dass auch bei dieser Durchsuchung der zuständige Richter seine
Wächterfunktion nicht wahrgenommen hat. Da ihm nach eigenem Bekunden der
Umgang mit dem Internet nicht vertraut ist, konnte er den zugrunde liegenden
Strafvorwurf gar nicht überprüfen.
Der RAV verurteilt diese Verletzung der Wächterfunktion, für die das
Amtsgericht Dannenberg bei Castor-Transporten im Hinblick auf präventive
Freiheitsentziehungen bereits bekannt ist.
Bei Rückfragen:
Rechtsanwältin Karen Ullmann
Tel. 0179-2027439
|