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Melioration heißt Verbesserung
Die Trockenlegung der Lüchower Landgrabenniederung

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Minimale Höhenunterschiede setzen der Landnutzung in der Norddeutschen Tiefebene unterschiedliche Bedingungen. Für das Laienauge kaum erkennbare Geländesenken oder -erhebungen haben für den Landwirt große Bedeutung.

Nahezu die Hälfte  der Fläche des Landkreises Lüchow-Dannenberg hat ein Höhenniveau, das ursprünglich mal unter mal über Wasser lag. In den weitläufigen Bereichen von Elbe, Jeetzel, Seege, Landgraben und Dumme war der Existenzkampf der Bauern in vergangenen Jahrhunderten ein Kampf mit dem Wasser. Zwei Meter Höhendifferenz und wechselnde Niederschlagsmengen machten den Unterschied zwischen ländlichem Wohlstand und dörflicher Armut. Am Beispiel der Lüchower Landgraben-Niederung soll hier die Entwicklung angedeutet werden, die von manchen als "Umweltgau" betrachtet wird.

Die Fotos mit Unterschrift und die Detaildaten wurden dem Buch "Bauernland in Not" entnommen.

 
 
Auf einer Landkarte von etwa 1700 ist ein ausgedehntes Dangensdorfer Moor eingezeichnet.
Von der Volzendorfer Insel führt ein Bohlendamm nach Salzwedel und über Hohekrug zur Hohen Kirche auf den Lemgow. Südlich der Linie Schmarsau-Bockleben-Prezier-Volzendorf liegt ein nur in trockenen Sommern zugängliches Feuchtwaldgebiet. Überschwemmungszonen, Sumpfland und Moore zogen sich weit ins heutige Sachsen-Anhalt mit einer Verbindung zum Arendsee.
 
  Fast immer war es eine Grenzregion zwischen Fürstentümern und Königreichen und dann zwischen Ost- und Westblock. Schon von 1690 sind Pläne bekannt, das Dangensdorfer Moor zu entwässern. Jahrhunderte wurde mit wechselndem Erfolg gegen das Wasser gekämpft. Gräben wurden ausgehoben und ein oder zwei Generationen später wieder vernachlässigt und der Verlandung überlassen.
 
Insgesamt gab es mehr Planungen und Vermessungen als konsequente Ausführungen. Zahlreiche Eingaben und Petitionen der Bauern an die jeweiligen Fürsten und Herzöge zeugen von ihrer Existenznot.
1914 gab es den umfangreichsten Plan und auch Finanzierungszusagen. Es wurden auch Kriegsgefangene zu Grabungsarbeiten herangezogen (Wir ziehen mit dem Spaten...),  aber der Weltkrieg brachte die Organisation durcheinander und die Arbeiten zogen sich viele Jahre hin, verebten in der Wirtschaftskrise, wurden mit Arbeitslosen aus Berlin wieder aufgenommen und im Zweiten Weltkrieg gänzlich eingestellt.
 
Danach war gemeinsames Vorgehen durch die blockierte Kommunikation ausgeschlossen. Auf DDR-Seite wurde schneller und umfangreicher gehandelt. Auf BRD-Seite scheiterten weitere Maßnahmen lange Zeit an Finanzen und in dieser Zeit wurden keine "halben Sachen" mehr gemacht. Für eine umfassende und zeitgemäße Regulierung musste zunächst die gesamte Jeetzelniederung umgestaltet werden.
Da das Wasser von Dumme und Landgraben jedenfalls irgendwie zur Jeetzel muss, nahmen die Überschwemmungen noch zu, weil durch die Maßnahmen auf DDR-Seite das Wasser schneller in Richtung Landgraben geführt wurde. Man kam leicht in Versuchung, der "Ostzone" die Schuld an den Überschwemmungen zu geben...
 
 
In all den Jahrhunderten des Ringens der ansässigen Bevölkerung um jeden Quadratmeter nutzbaren Landes hatte die Natur immer wieder die Oberhand. Ein Eldorado für Flora und Fauna. Ich erinnere hier nur mal an die Kiebitze, deren Populationen nicht  durch das Einsammeln ihrer Eier dezimiert wurde. Wir trauern um das Schauspiel der Vogelwelt, um Sonnentau und Sumpfdotterblumen, um Frösche, Kröten und Mückenplage
 
und um grenzenloses Schlittschuhlaufen, bei dem man sich höchstens mal im nicht ganz untergegangenen Stacheldrahtzaun verfing.
Alles Gesagte gilt mit etwas verschobenen Jahreszahlen genauso für die Jeetzelregulierung, die Elbe-Eindeichung, die Dumme-Niederung, den Luciekanal und die kleineren Niederungen.
 
Leider liegen keine Fotos vor, die die Erzählungen der Alten belegen würden, wie die Grabower Dorfjugend auf Schlittschuhen  über die Wiesen hinter Gollau, Müggenburg und Plate nach Lüchow lief.
Dieses Foto entstand 1962 auf der kleinen Tarmitzer "Graskuhle", die heute auch kein Wasser mehr enthält.
 
Im Sommer 1956 am ausgedehnten Hochwasser der Elbe.
 
Jahrhunderte erfolgte das Ausheben der Gräben mit großem Arbeitskräfteeinsatz mit Schaufel und Spaten. Diese Foto ist von 1955; wahrscheinlich waren hier schon zunächst Bagger im Einsatz.
Ein ebenso großes Problem, wie das Anlegen der Gräben, war das Instandhalten, das ja auch mit Hand erfolgen musste. Ohne Pflege verlandeten die Gräben innerhalb einiger Jahre.
 
Die Ziele für die regionale Entwicklung im ländlichen Raum wurden in den 50er und 60er Jahren politisch festgelegt und auf die Gesamtfläche in Deutschland bezogen. Während in Frankreich die wirtschaftliche Entwicklung auf die Großagglomeration Paris und wenige kleinere Zentren wie Lyon und Marseille konzentriert wurde und dies zu weiträumigem Bevölkerungsschwund großer Regionen führte, gab es  in Deutschland starke Anstrengungen, der Abwanderung in die Großstädte entgegen zu wirken.
 
Es wäre zu einfach, die Maßnahmen jener Jahrzehnte als kurzsichtig und als Umweltfrevel zu verurteilen. Flurbereinigungen und Trockenlegungen sind ja auch keine wendische Spezialität. Erstaunlich, dass für dieses vergessene Randgebiet überhaupt finanzielle Mittel aufgetrieben werden konnten. Zwischen 1945 und 1970 wurden im Landkreis 50 Mio DM für Meliorationen ausgegeben.
 
Damit war der Bau des Jeetzelkanals abgeschlossen und ab 1970 wurde auch im Bereich des Lüchower Landgrabens endlich ganze Arbeit geleistet...

Auf den gewonnenen Flächen ist der Boden nicht gleich ohne umfangreiche Verbesserung der Bodenstruktur für den Ackerbau nutzbar.
 
Ich glaube dieses Bild ist trotz schwacher Qualität recht aussagekräftig. Dem Einen stehen die Haare zu Berge ob des Umgangs mit wertvollem Moor. Dem anderen ist es ein Beweis für menschliche Fähigkeit die Natur zu beherrschen.
Der Raum war nicht in der Lage, die ansässige Bevölkerung in ausreichender Weise zu ernähren und Abwanderung widersprach den politischen Zielen. Aus heutiger Sicht wäre es vielleicht angemessen gewesen, die
 
Feuchtgebiete der Natur zu überlassen und ein Abwandern großer Teile der Bevölkerung in Kauf zu nehmen. Tatsächlich hat ja die "Melioration" die Abwanderung nicht verhindert. Die in den 70er Jahren nutznießenden Landwirte haben zum großen Teil dennoch den Raum verlassen.
Die Fläche wird allerdings hoch technisch und produktiv genutzt. Durch zusätzliche Flurbereinigung sind auch hier "Schläge" (ungeteilte Ackerflächen) entstanden, die bis an den Horizont reichen. Dass die Trockenlegung nun eine künstliche Bewässerung notwendig macht, ist technisch kein Problem.
 
Die Pflege der Gräben ist rigoros und weiterhin teuer.
Foto: Uferrasur an der Neuen Dumme bei Blütlingen. (2005)
 
Ein größeres Problem scheint seit den 80er Jahren die europaweit galoppierende Überproduktion.
Niemand müsste hungern, wenn die Flächen am Lüchower Landgraben wieder unter Wasser stünden.

Aber auch mit diesem Gedankengang sind wir noch nicht am Ende der Widersprüche.
 
Die Produktion der Lebensmittel für Europa findet heute großteils in Afrika, Asien und Lateinamerika statt.
Gibt es keinen Hunger in der Welt?
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Aber wir können hier im Januar keine Avokados ernten und wir wollen nicht von Oktober bis März von Rotkraut und Spreewaldgurken leben.

Übersetzung der Gedenktafel bei Hohenkrug in heutigen Sprachgebrauch:

Der Lüchower Landgraben wurde in Verbindung mit einer Flurbereinigung in den Jahren 1969-1975 ausgebaut. Es wurden 3000 ha Landschaft von Wasser und Natur befreit und der landwirtschaftlichen Überproduktion zugeführt.
 
 
1991 verteidigt das Staatliche Amt für Wasser die alten Maßnahmen, betont aber auch :
"daß die Meliorationsmaßnahmen zugunsten der Landwirtschaft und zum Vorteil der Weiterentwicklung der Kommunen eine große Veränderung der Natur und Landschaft darstellen, die unter den heutigen Gesichtspunkten der Überproduktion in der Landwirtschaft und des Umweltschutzes ... nicht in dem Maß Platz gegriffen hätten." (EJZ 16.02.1991)
   

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