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Drei Lüchower Handwerksbetriebe 1850 bis 1950
Zimmerei Kofahl
Schlosserei Bendfeldt
Sattlerei Bohlmann
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Mit Fotos und Recherchen von:
Brigitte Bendfeldt,
Friedrich Bohlmann,
Michael Kablitz,
Roland Lindner,
Uschi Lange, Annelore Schoepe
www.wendland-archiv.de |
Bereich
Seiten zu Lüchow:
Lüchow 1900-1
Lüchow 1900-2
Lüchow 1910
Lüchow 1920
Lüchow 1937-1945
Lüchow 1945-1949
Lüchow 1950-59
Lüchow 1957
Kanalbau 1960-61
Die Insel
Drawehner J.
Burgmühlen J
Th.-K.-Brücke
Hohe Brücke
Gutshof
Lüchow um 1980
Lüchow 2005
Ortsumgehung L.
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Blick in die Lange Straße, aufgenommen 1931 vom
Anfang der
Drawehner Straße. Links zweigt die Schützenstraße ab.
Rechts nicht auf dem Foto zu sehen hat Albert Bohlmann sein Geschäft. Der
Nachbar Franz Bendfeldt (das erste Haus rechts auf dem Foto) betreibt
eine Schlosserei.
Die offenen Fenster links gehören zum Haus Drawehner Straße 1,
das in der Zeit, in der wir beginnen, der Familie Kofahl gehört.
Die Geschichten dieser drei
Familien sind miteinander verflochten. |
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Drawehner Str. 1 um 1900. Hier beginnt die Geschichte der Familie
Kofahl. Später kauft Familie Bohlmann das Haus. |
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Um 1850 hat der in Bussau gebürtige Johann Kofahl eine
Sägerei und Zimmerei in der Gabelung von Georgstraße und
Schützenstraße gegründet. Zu dieser Zeit gibt es dort noch keine
Häuser.
Links: Johann Kofahl 1888. |
Rechts:
Geschwister Carl (geb. 1860) und Minna (geb. 1855) Kofahl, Kinder des
Zimmermanns Johann Kofahl.
Porträt von W. Röpke,
Maler und Photograph in Lüchow.
Dieses Foto gehört zu den ältesten, die in dieser Region aufgenommen
wurden und erhalten geblieben sind.
(In der Zeit um 1865 entstanden
auch die Fotos der Dörfer des Wendlands für das
Album der
Wendlandbauern für den König in Hannover.) |
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Die
Zimmerleute von Firma Kofahl richten das Gebälk für einen Hausbau. Auf
dem Brett am Balken wurde notiert: "30.9.1888". Dies ist als
Datum des Fotos anzunehmen. Der Seniorchef steht rechts mit Weste und
Jackett. Hinten mit geschlossener Jacke der Junior Carl Kofahl.
(Später wurde an dieser Stelle das
Landbundhaus
gebaut.) |
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Bohlmann |
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Ebenfalls um 1850 zieht Jürgen Friedrich Bohlmann mit Familie aus Gorleben nach
Lüchow. Er kauft von einem insolventen Kesselhändler, der nach Amerika
auswandert, das Haus gegenüber von Kofahls in der Drawehner Straße .
Sein Sohn
Friedrich Bohlmann wird Sattlermeister, kann Minna Kofahl zur Frau gewinnen und deren 3000 Mark
Mitgift ermöglicht ihm, das Haus umzubauen und eine Werkstatt
einzurichten.
Seine Schwester Marie Anna Bohlmann heiratet 1870 den
Nachbarn, Nagelschmied Carl Bendfeldt, aus einer alteingesessenen
Lüchower Schmiedfamilie. |
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Bendfeldt |
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Brigitte Bendfeldt berichtet über die Geschichte der Schmied- und
Schlosserfamilie: |
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Im Wendland sind die meisten
Leute irgendwie versippt und verschwägert. So heiratete ein Bendfeldt
mal grade nach nebenan, eine Bohlmann.
Die Bendfeldts aus der Langen Strasse wanderten um etwa 1650 zu,
wahrscheinlich aus Perleberg. In der Chronik der Stadt Lüchow, Ausgabe
von 1949, kann man lesen: "...Nagelschmiedemeister Friedrich Heinrich Bendfeld war in der Familie Bendfeld der erste Nagelschmiedemeister,
seine Vorfahren, mit Ausnahme seines Vaters, des Schmiedemeisters
Heinrich Christoph Bendfeld, waren Brauer bzw. Branntweinbrenner. Er
wurde am 7. Februar 1807 als Mitmeister in die Schmiede-Innung
aufgenommen. Carl Heinrich Bendfeld, der Vater des jetzigen
Schlossermeisters Franz Bendfeld, war |
der
letzte Nagelschmied in der
Familie, er betrieb sein Handwerk, obwohl die Nagelschmiederei durch
die Drahtstiftfabrikation, die in Deutschland 1840 eingeführt wurde,
an Bedeutung verloren hatte, bis zu seinem Tode. Die Firma Gerlach in
Salzwedel war Großabnehmer seiner vielfachen Fabrikate vom Zimmernagel
und Schlossnagel bis zum Stemmnagel von 2, 3 bis 4 Zoll..."
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Kofahl |
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Im Bauboom um die Jahrhundertwende wächst die Zimmerei Kofahl. |
Entsprechend wird der Briefkopf in wenigen
Jahren umfangreicher:
1900: Carl Kofahl. Sägewerk, Baugeschäft und Holzhandlung
1901: Carl Kofahl. Dampfsägewerk, Baugeschäft und Holzhandlung.
Dampfhäckselschneiderei und Häckselhandlung.
1905: Carl Kofahl, Zimmermeister Lüchow, Dampfsäge und Hobelwerk,
Bautischlerei. Bau-, Nutz- und Brennholz-Handlung, Lager aller Arten
Bretter und Bohlen. Dachpappe, Teer, Carbolineum etc.
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Familie Kofahl baut sich ein
prunkvolles Wohnhaus in der Schützenstraße. |
Carl Kofahl 1888
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In der Zeit vor 1900 gibt es an der Brücke der Drawehner Jeetzel eine
Mühle. (Hier auf einem Gemälde.) |
Etwa 1903 wird die Brücke verbreitert. Rechts im Bild steht noch das
Gebäude der Mühle. Bald darauf werden hier neue Gebäude erstellt, u.
a. von Familie Kofahl. |
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Carl Kofahls Tochter Hertha besucht das Lyceum in Salzwedel und wir
finden sie auf den Fotos aus dem Album von
Hanna
Witte im Kreis der Lüchower Freundinnen und am Klavier bei Familie
Witte in Lüchow am Markt.
1915. Hertha Kofahl, Hanna Witte. |
Carl Kofahl baut für jedes seiner vier Kinder ein neues Haus, für
Hertha dieses Haus in der Langen Straße an der Brücke der Drawehner
Jeetzel, wo früher die Mühle stand. Hertha heiratet den
Schuhwarenhändler und späteren Koch Willy Reißland, der bald als Koch
arbeitet u.a. in der Wifo bei Hitzacker. |
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Carl Kofahl kann es sich leisten, viel
Zeit mit seiner Leidenschaft Archäologie und Heimatforschung zu
verbringen. Er ist Mitbegründer des Lüchower Altertumsvereins und
Bodendenkmalpfleger. Es wird
erzählt, dass er mit seiner Sammlung von alten Scherben, die er im Haus und
im Garten lagert, seiner Familie "auf den Keks ging". Aber
die Kinder aus der Nachbarschaft sind begeisterte Helfer und
durchkämmen Feld und Flur um Lüchow herum nach alten "Schätzen".
Sein Sohn Kurt wird Architekt. Auch er
findet ganz in der Nähe eine Frau. Er heiratet Hilde Richei aus der
Georgstraße und erbt den
Betrieb der Kofahls. Er gibt aber in den Zwanzigerjahren alles Handwerk
und Gewerbe auf, wie aus folgendem Brief hervorgeht. |
1905 ist Carl Kofahl der Schützenkönig. |
Dezember 1926
Kurt Kofahl, Architekt, Bauentwürfe, Bauberechnungen, Bauleitung,
Beeid. Kreisschätzer
An das Preuss. Gewerberaufsichtsamt Lüneburg
Es ist leider verabsäumt worden, dass der Abbruch der Sägerei, die
meinem Vater gehörte, dem preuss. Gewebeaufsichtsamt gemeldet wurde.
Mit dem im Juli aufgegebenem Sägereibetrieb wurde auch der
Zimmereibetrieb wie auch der der Tischlerei und der Fuhrbetrieb
aufgegeben. Es werden nun in unserem Hause keine Leute mehr
beschäftigt.
Ergebenst
Kofahl
Kurt Kofahl entwirft als Architekt die
Kirche in Wibbese, die 1931 fertiggestellt wird, und in den
Dreißigerjahren plant er zusammen mit Schulrat Laue zahlreiche Schulneubauten
in den Dörfern der Region. |
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Bohlmann |
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Albert Bohlmann führt in seinem Ladengeschäft nicht nur Sattler- und
Polsterer-Waren. Sein Auftragsbuch enthält neben den Arbeiten in der
Werkstatt unter anderem auch dies: |
1930. Schützenkönig Albert Bohlmann |
1909
"16 Rollen Tapeten 4,48 Mark. 34 m Borden 1,70 Mark." Gehen an
Färbermeister
Huth in der Burgstraße in Lüchow. |
1909
"Ein Fell 0,50 Mark. Geschirr und Zaum mit Leder und Mühen gebessert
2,30 Mark."
Für Sigmund
Mansfeld in Lüchow. |
1910
"Ein starkes Arbeitsgeschirr, 27 Mark".
Für Ritz in Gohlau. |
1911
"Für Aufführung zu Weihnachten 3 Dutzend Schneebälle, 1 Pack Watte für
bengalisches Feuer. Garderobe im August. 4,50 Mark".
Dies geht an Schulmeister
Adolf Tribian in Rehbeck. |
1912
"Ein Sofa neu aufgepolstert 11,00 Mark" für Cafè
Rautenkranz in Lüchow. |
Frieda Bohlmann, die Schwester von Albert Bohlmann, verlässt die
Enge der Kleinstadt, geht nach Hamburg und heiratet dort. Der
Bruder Karl Bohlmann studiert in Bremen und wird Lehrer in Grabow. |
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Bendfeldt |
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Die Nachbarhäuser von Bendfeldt und Bohlman um 1900. (Bendfeldt hat
das letzte Haus der Langen Straße. Bei Bohlmann beginnt die Drawehner
Straße.) |
Brigitte Bendfeldt berichtet weiter:
Genannt und in Erinnerung geblieben sind in der
Familie immer nur die Männer und Erben. Frauen und nicht erbende
Männer gerieten in Vergessenheit. Mein Großvater Karl war so ein
Nichterbe. Sein Bruder Franz übernahm die Schlosserei, er selbst wurde
Beamter und zog nach Hamburg-Blankenese. |
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Er heiratete eine Witwe mit zwei halbwüchsigen
Kindern, die ebenfalls aus dem Wendland stammte, nämlich aus Clenze.
Mit ihr lebte er in einem Haus an der Elbchaussee, wo
auch mein Vater Karl-Heinz Franz Jonny geboren und aufgewachsen ist.
1931. Schlosserei von Franz Bendfeldt. |
Mein Vater hatte einen guten Kontakt zu seinem kinderlosen Onkel im
Wendland. Er besuchte ihn oft, per Schiff von Hamburg nach Hitzacker
und dann weiter mit dem Fahrrad nach Lüchow. So war es nicht weiter
verwunderlich, dass auch er Schlossermeister wurde, allerdings lernte
er das Handwerk noch in Blankenese. |
1952, nach dem Tod seines
Onkels, übernahm er im Alter von 29 Jahren das Haus mit Werkstatt und
einem kleinen Geschäft für Haushaltswaren und Werkzeug. Er baute das
Geschäft um, gemäß des damaligen Zeitgeschmacks.
Mein Vater holte sich seine Frau aus Westfalen. Diese
ahnungslose junge Frau, die bis dato nicht mal gewusst haben wird, wie
man Lüchow überhaupt buchstabiert, machte aus dem hinter dem Haus
liegenden Gemüsegarten, (wie er in Ackerbürgerstädtchen üblich war)
einen Blumengarten mit Rasenfläche und verstörte damit einigermaßen
die Nachbarn. Die sagten angesichts dieser Verschwendungssucht nicht
Gutes voraus. Aber auch das ist mittlerweile Geschichte.
Der letzte männliche Bendfeldt, also
mein Vater Karl-Heinz, war Obermeister der Schlosserinnung und ein
Patriarch. Ich erinnere mich, dass in meiner Kinderzeit alle zusammen
Mittag aßen, die Familie und die Lehrlinge, weil die doch mit ihren
14, 15 Jahren nach Meinung meines Vaters allzu spiddelig waren und
noch etwas aufgepäppelt werden mussten.
Auf dem Lüchower Friedhof lagen die Vorfahren. Wie es sich für
Schlossermeistergräber gehörte, mit geschmiedeten Gittern und Türchen
zum Reingehen. Mein
Vater hat sie gehegt und gepflegt und immer wiedergekauft. Als er
starb, durften wir ihn allerdings nicht auf einem dieser Gräber
beerdigen. Es war "Bauerwartungsland" für eine neue Friedhofskapelle
geworden, die allerdings bis heute nicht gebaut ist. |
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Später |
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Ähnlich wie bei Bendfeldts der Neffe aus Hamburg die
Schlosserei übernimmt, geht auch bei Nachbar Bohlmann der Laden an
einen Neffen über.
Karl-Friedrich Bohlmann, Sohn des Lehrers Karl Bohlmann aus Grabow,
übernimmt die Sattlertradition seiner Vorfahren. Da Albert und Minna
Bohlmann keine Kinder haben, übernimmt Karl-Friedrich mit seiner Frau
Maria, geb. Schrader aus Wittfeitzen, das Ladengeschäft in Lüchow.
Bei Kofahls führt der Sohn Hans das Architekturbüro seines Vaters Kurt
Kofahl weiter. Hans Kofahl hinterlässt zahlreiche Spuren in Lüchow. Da
er besonders viele Aufträge für die Stadt ausführt, spricht man bald
von ihm als "Stadtarchitekt Kofahl". |
Albert und Minna Bohlmann zum 75-jähriges Geschäftsjubiläum 1953 |
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Anmerkung: Eine Verbindung
zwischen dieser Familie Kofahl und anderen in der Website
genannten Familien gleichen Namens ist nicht bekannt. |
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Auf der nächsten Seite verlassen wir die Kreisstadt und wenden uns einem der
kleinsten Dörfer zu. Um 1900 inmitten von Bergbau und Industrie:
Nauden
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