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22. April 1945 in Pevestorf
Drei eingesperrte Gänse im Badezimmer

 Bereich

 

 

   
 

Von Karl-Heinz Schwerdtfeger 

Die Situation:
Seit Mittag hielt die I-Kompanie, 335. Regiment, 84. US-Infanteriedivision, nach einem Feuergefecht der 2. Gruppe (squad) des 1. Zuges (platoon) morgens am Nordausgang beim Haus Wolgast (dahinter lag die deutsche Riegelstellung), das Dorf Pevestorf besetzt.
Nachdem alle Gebäude beiderseits der einen Kilometer langen Dorfstraße nach deutschen Soldaten durchsucht worden waren, quartierten sich die US-Soldaten gruppenweise in den Häusern ein.
Zwei Gruppen (squads) des 3. Zuges (platoon) richteten sich im Bauernhaus der Familie Conrad ein.
   


Pevestorf, Bauernhaus der Familie Conrad, 24. April 1945
Quelle Foto: Privat-Archiv Rodney Bond)

Der „bazooka“-Schütze in seiner Gruppe, Pfc. (Ogfr.) Rodney Bond berichtet von der vorgefundenen Situation im Hause Conrad am Sonntag noch vor dem wenige Stunden später erfolgten deutschen Nachtgegenangriff auf Pevestorf und Restorf:
„... Nachdem am 22. April das Dorf (town) Pevestorf von uns ohne Schwierigkeiten besetzt worden war, nahmen zwei Gruppen (squads) unseres 3. Zuges Quartier in einem großen Bauernhaus. Das war ein massiv gemauertes Steinhaus mit Erd- und Obergeschoß, sowie mit einem soliden Keller, und befand sich ungefähr in der Mitte des Dorfes. Der Bauernhof (farm yard) war ringsum eingegrenzt von Ställen (stables) und Scheunen (barns). Die Wohnungseinrichtung der Bauernfamilie war sehr ansprechend und schien mir wie von wohlhabenden Leuten zu sein. ...“

„... Wie in der Vergangenheit oftmals durchgeführt, wurden die Hausbewohner auch hier in den Keller getrieben, den sie nicht verlassen durften. Ich hatte nicht viel Kontakt zu den Zivilisten im Keller, weil ich die meiste Zeit oben im Hause mit meiner „bazooka“ in Schußbereitschaft zu sein hatte. Außerdem hatten wir ja Befehl, nicht mit den Deutschen zu sprechen (non-fraternazation-rule = Verbrüderungsverbot). Aber trotz des Verbotes sprach ich doch mit den Zivilisten im Keller, wenn ich keinen Wachdienst hatte und den reich gefüllten Vorratskeller durchschnüffelte (sniffing around).

Falls ich mich recht erinnere, dann befanden sich außer den Hausbewohnern auch noch mehrere deutsche Gefangene im Keller, die sich anscheinend kampflos ergeben hatten und einfach versteckt zurückblieben, als sich die Deutschen aus dem Ort zurückzogen.
Aber da waren auch drei französische Zwangsarbeiter (slave laborers) die mir berichteten, daß sie schon seit Tagen auf ihre Befreiung gewartet hätten.
Da war auch ein etwa 14jähriger deutscher Junge im Keller. Der prahlte anscheinend damit, daß er auf uns Amerikaner geschossen habe. So jedenfalls deutete ich seine gestenreiche Erzählung. Ich verstand kein Deutsch und er sprach kein Wort Englisch. Mein erster Gedanke war, ihn unserem Leutnant Gill zu melden. Unterließ das aber, weil ich fürchtete, mich durch ein Mißverständnis zu blamieren. Überhaupt sprach niemand von uns Deutsch und von den Zivilisten konnte keiner Englisch. So war eine Verständigung nur durch Zeichensprache möglich. Ich werde wohl die Gestik des Jungen falsch verstanden haben.


Pfc. (Ogfr.) Rodney Bond,
3. Zug (platoon), I-Kompanie,
335. Infanterie-Regiment,
84. US-Infanterie-Division.

Rod war in seiner Gruppe (squad)
der „bazooka“-Schütze.

Foto: Privataufnahme von Rodney Bond
aufgenommen möglicherweise in
Prezelle am 20. April 1945

 

 

 

 

"Am Nachmittag desselben Tages (22. April) briet die Bauersfrau auf dem Herd in der Waschküche in einer großen Pfanne für alle im Keller anwesenden Zivilisten und Soldaten Omelette und Bratkartoffeln mit Speck.
Für uns Amerikaner, die wir seit Tagen kein warmes Essen mehr erhalten hatten, war diese Speise wie ein Festtagsessen. Ein unbekanntes Essen, denn wir GI.s kannten nur „ham and eggs“ (Schinken und Eier) oder „baked potatoes“ (gebackene Kartoffeln), aber nicht die deutsche Art der Bratkartoffeln in Scheiben geschnitten mit Rührei und Speck. Es hat ganz wunderbar geschmeckt und bewirkte wenigstens bei mir eine bleibende Erinnerung daran.
Während es draußen heftig krachte, weil sowohl unsere Artillerie als auch deutsche Artillerie sporadisch Störfeuer auf die Höhen westlich vom Ort und die feindlichen Geschütze besonders auf Pevestorf schossen, fühlten wir uns im massiv gebauten Steinhaus relativ sicher vor den Granaten. Die Kellerfenster waren mit dicken Balken gegen Granatsplitter gesichert. Natürlich mieden wir das Dachgeschoß.

Es gab an dem Nachmittag aber auch eine recht lustige Begebenheit, die mich heute noch zum Lachen bringt. Im geräumigen Badezimmer mit der Toilette, ich glaube dieses Bad lag im Erdgeschoß, befanden sich eingesperrt drei Gänse.
Schütze Burda war der älteste Soldat in der Kompanie. Ein Berufssoldat (career army person), der in seinen frühen Vierzigern war, und vom Hauptfeldwebel zum einfachen Schützen wegen Trunkenheit im Dienst degradiert worden war.
Es war noch Tageslicht als es ruhig wurde und Burda tat, was jeder GI zu tun geneigt
war – er begann im Hause herumzuschnüffeln (snoop around). Als er die Tür zu einem großen Klosettraum öffnete, wurde er überraschend begrüßt von drei Gänsen. Offenbar waren die über die vorhergehenden Stunden geräuschvoller Ereignisse überhaupt nicht begeistert, und gingen nun dazu über, Rache zu nehmen an Burda. Sie senkten an langgestreckten Hälsen ihre Köpfe, watschelten bedrohlich auf ihn zu, bei jedem Schritt zischend. Worauf Burda flüchtete.
Andere von uns versuchten darauf, sie durch die Eingangstür auf den Hof hinaus zu treiben. Aber anscheinend erinnerten sie sich, daß der gewaltige Lärm draußen gewesen war. So weigerten sie sich standhaft (steadfastly) hinauszugehen.
Wie sie in dieses Klosett gekommen waren, fand niemand von uns heraus. Die Gänse wollten offenbar mit uns zusammen die Nacht im sicheren Hause verbringen...“

Kopie der betreffenden Seite des Briefes von
Rodney Bond an Karl-Heinz Schwerdtfeger
mit einer Skizze der angreifenden Gänse in der
Toilette des Hauses Conrad.





 


(Veröffentlicht in: Kriegsende im Wendland, Band II, Karl-Heinz Schwerdtfeger)

 

 

In der Nacht ändert sich plötzlich die friedliche Situation und nach heftigen Kämpfen stellen die 18 Amerikaner im Haus Conrad gegen Morgen fest, dass sie von Deutschen eingeschlossen sind. Drei von ihnen berichten über diese Nacht.

        Pevestorf 2

 

   

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