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Gorleben
April / Mai 1945

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Arnold Jacobs erlebte als Kind das Kriegsende in Gorleben. Seine Erinnerungen und die Recherchen im Nationalarchiv der USA hat er in kleiner Auflage veröffentlicht und dieser Website zur Verfügung gestellt. Einige Fotos von seiner Familie in den Kriegsjahren werden dem Bericht vorangestellt.
 
 
 


Foto oben: Arnold Jacobs mit Mutter und Schwester an ihrem Haus in Gorleben. Das Fantasiemobil an der Hauswand ist Arnolds erstes "Auto". März 1942.

Foto rechts: Im März 1942. Frau Jacobs mit ihren beiden Kindern vor der Haustür in Gorleben. An ihrer Seite steht ihr Bruder. Ihr Mann  ist bei der Wehrmacht und bald in Gefangenschaft.

 
 
 

Arnold Jacobs mit Mutter und Schwester auf dem Deich in Gorleben. Die Elbe führt das  Frühjahrshochwasser. Aufgenommen etwa im März 1942. Arnold Jacobs mit Mutter und Schwester und einer Tante, die zu Besuch ist. Die Ziege, die die Familie mit Milch versorgt, gehört als wichtigster Besitz mit aufs Bild. April 1943.
 
Ein Foto aus dem Album von Irmgard Schierarend zeigt eine Gruppe des NS-Arbeitsdienstes in Gorleben. Das Barackenlager wird am Kriegsende von den Amerikanern als Kriegsgefangenenlager genutzt.
 


Arnold Jacobs 1945

Im Folgenden erzählt Arnold Jacobs, wie er als Kind das Kriegsende in Gorleben erlebt hat.
(Die weiteren Fotos sind verschiedenen alten Ansichtskarten entnommen.)

Die Hauptkriegsgeschehnisse zum Ende des Krieges waren in Gorleben vor und nach dem 21. April 1945. Zu der Zeit war ich 8 Jahre alt. Mit meiner vier Jahre jüngeren Schwester Erika und meiner Mutter wohnten wir in einer kleinen Arbeiterkate aus Lehm. Mein Vater war in Kriegsgefangenschaft.

 
In Gorleben war zur Verteidigung des Ortes eine deutsche Infanterieeinheit stationiert. Die Soldaten dieser Einheit hatten sich westlich und südlich am Dorfrand, bewaffnet mit dem Karabiner 98 k, dem Maschinengewehr 42 und der deutschen Panzerfaust, eingeigelt.
Die Einsatzführung hatte ihre Zentrale im Gasthaus Steuber. Für uns als Jungs war besonders interessant der Kradmelder, Unteroffizier Pölich, mit der Beiwagenmaschine 750er Zündapp. Jede Möglichkeit zum Mitfahren auf oder in dieser Maschine wurde genutzt und erlebt. Der Kradmelder war in dieser Richtung immer sehr entgegenkommend. Jeder nächste Tag führte uns zu der Beiwagenmaschine.
Vor dem 21. April gab es in einer Nacht auch einen Bombenangriff eines feindlichen Flugzeugs. Im Ort richteten die Bomben keine Schäden an. Sie schlugen am Rande des Friedhofs ein und hatten somit nur eine Trichterwirkung.
Die Kampfhandlungen begannen am Samstag, den 21. April 1945. Unser Dorf wurde durch US-Truppen aus Richtung Nemitz kommend gegen 8:00 Uhr angegriffen. Es war eine Einheit, die auch mit Panzerfahrzeugen ausgerüstet war. In der Stube unseres Hauses hatte sich ein Spähtrupp der deutschen Einheit zur Ruhe begeben. Für mich und meinen Freund Horst gab es trotz der zu hörenden Kampfgeräusche, Maschinengewehr- und Einzelfeuer aus Langwaffen, nur den Kradmelder mit der Beiwagenmaschine.
Wir fanden Fahrer und Maschine vor dem Spritzenhaus. Die Maschine wollte an diesem Morgen nicht anspringen. Wir haben geschoben und geschoben, aber es nützte nichts. Auffällig war jetzt, dass die Schießgeräusche näher kamen und Geschosse in unserer Nähe einschlugen. Wir hatten diese Gefahr noch gar nicht so richtig erkannt, als der Landwirt Herr Schack kam und uns sagte, wir müssten nach Hause gehen, der Amerikaner sei schon im Dorf. Ich lief sofort nach Hause.
Vor unserer Haustür sah ich dann einen Sherman-Panzer stehen. Von dem Lengemannschen Hof schoss ein deutscher Soldat mit seinem Karabiner Richtung weißer Scheune auf unserem Grundstück. Starke Kampfgeräusche laufendes Maschinengewehrfeuer und Einzelfeuer in schneller Reihenfolge waren vermehrt zu hören. Ich lief schnell ins Haus. Die Angst, die ich jetzt hatte, war überdeutlich. Meine Mutter und meine kleine Schwester hatten hinter der Dielen-Küchentür, offensichtlich ebenfalls aus Angst, Schutz gesucht.
In der Wohnstube lag noch der deutsche Spähtrupp. Die größte Angst hierzu war, dass die Spähtrupp-Soldaten aus dem Haus heraus kämpfen würden. Sie haben es aber zu unserem Schutz nicht getan und sich später gefangen nehmen lassen. Wir warteten in der Küche auf ein Erscheinen der amerikanischen Soldaten.
Kurze Zeit später ging die Haustür auf und ein großer, dunkelheutiger amerikanischer Soldat kam, bewaffnet mit einem Karabiner M1, ins Haus. Er hatte den Auftrag nach deutschen Soldaten zu suchen und befragte uns hierzu: „deutsche Soldat?“ In unserer Stube lag zu diesem Zeitpunkt immer noch der deutsche Spähtrupp. Meine Schwester fragte hierauf den amerikanischen Soldaten ob er „Zukelade“ habe? Ohne weitere Fragen zu stellen, ging er aus dem Haus. Kurze Zeit später kam er mit einem vollständigen Verpflegungspaket zurück.
Nach Anweisung meiner Mutter durften wir das Paket jedoch nicht öffnen. Nach dem der Soldat das Haus wieder verlassen hatte, gingen auch die deutschen Soldaten vor die Haustür und ergaben sich.
Die Kampfhandlungen waren noch in vollem Gange. Besonders Furcht erregend waren die Abschüsse von dem in der Nähe des Hauses stehenden Sherman-Panzer. Durch die Abschussdruckwelle gingen am Nachbarhaus weitere Fensterscheiben zu Bruch.
Gegen Mittag mussten wir unser Haus verlassen und einen Erdbunker in der Nähe des Sägewerks Gauster und des Nemitzer Weges aufsuchen. Hier in dem Erdbunker wurde es erst richtig gefährlich. Am östlichen Ufer der Elbe war deutsche Artillerie in Stellung gegangen. Diese beschossen mit einem großen Kaliber die Zufahrtswege ins Dorf, um den Nachschub der US-Truppen zu stören. Zu dem Nachschubweg gehörte auch der Nemitzer Weg, an dem der Erdbunker lag. Man hörte den Abschuss der deutschen Artillerie, ein Flugbahnheulen und dann den explodierenden Einschlag der Granaten. Je näher die Einschläge lagen, je mehr Sand löste sich von der Decke des Bunkers und fiel uns auf den Kopf. Weiter befürchteten wir, dass der von außen gut getarnte Bunker von einem Panzer überrollt werden könnte.

Nach einiger Zeit mussten wir den Bunker dann wieder verlassen und den Saal im Gasthof Steuber aufsuchen.Hier war schon ziemlich die gesamte Bevölkerung des Ortes Gorleben untergebracht. Der Saal war überfüllt und es gab nicht genügend Sitzgelegenheit. Einen Sicherheitssinn gab es für diese Unterbringung nicht. Der Saal lag in der Nähe der Straße nach Gedelitz, die ständig unter deutschem Artilleriefeuer lag. Diese Art der unsinnigen und für die Bevölkerung strapazierenden Unterbringung dauerte zwei Tage. Wir mussten dann das Dorf verlassen und marschierten über Nemitz nach Lanze. Am 7. Mai durfte die Bevölkerung nach Gorleben zurückkehren.

Die Rückkehr nach Gorleben am 7. Mai 1945
Einige Häuser waren durch deutsche Artillerie und amerikanische Panzergranaten beschädigt und zerstört worden. Unser Wohnhaus war unbeschädigt, jedoch sah es innen arg aus. Die meisten Bekleidungsstücke waren aus den Schränken herausgerissen und teilweise mitgenommen worden. Einige Möbelstücke standen vor der Haustür und waren beschädigt. Ganz schlimm sah es in der Diele und in der Küche aus. Die Fußböden dieser Räume waren mit einer dicken Schlammschicht bedeckt. Erklärend und sichtbar war hierzu, dass die in der Küche befindliche Pumpe zur Wasserversorgung nach außen genutzt worden war.

Viele deutsche Soldaten und Flüchtlinge, die vorher östlich der Elbe waren, sind während unserer Abwesenheit durch Gorleben geströmt. Sie wollten der russischen Kriegsgefangenschaft entgehen.
Zum Zustand unseres Wohnhauses war meine Mutter ziemlich verzweifelt und am Ende ihrer Kräfte. Sie wollte erst gar nicht anfangen mit Aufräumen und Wiederherstellen der Wohnverhältnisse. Der erste Weg der Mutter war jedoch, nach unserem Vieh zu sehen. Hühner waren keine mehr da. Unsere Ziege fand sie auf einer Wiese im Dorf unter anderen Tieren. Die Milchversorgung war erst einmal gesichert und Gemüse in den Gärten gab es zu dieser Jahreszeit auch schon und Kartoffeln aus der alten Miete. Für uns als Kinder war natürlich die Lust zum Strömern durch das Dorf gegeben. Es lag Vieles herum. Besonders wichtig war für uns Jungs der Bereich an der Elbe. Wir fanden Waffen und Granaten aller Art, die wir auch ausprobierten. Es passierte glücklicherweise wenig. Wir hatten wohl alle einen besonderen Schutzengel.


Den ersten Kontakt hatten wir mit russischen Soldaten, die mit Duldung der Amerikaner über die Elbe ins Dorf kamen. Die meiste Angst hatten wir durch die Schauergeschichten, die die Erwachsenen über die Russen erzählten. Eine weite Distanz war somit vorgegeben.
Das wohl gefährlichste Erlebnis, das wir hatten, war ein Beschuss durch einen russischen, offensichtlich betrunkenen Soldaten mit seiner Maschinenpistole von der anderen Elbseite. Wir hatten ihn vorher verbal geärgert. Die Entfernung schien uns ja sicher! Die Einschläge der Geschosse aus seiner MP haben wir sichtbar im Ufersand wahrgenommen. Nach Anweisung des größten und ältesten Jungen, Günther Wehling, sind wir dann 500 m bis zum Deich der Elbe gerobbt.

Der nächste Sichtkontakt diesseits der Elbe mit einem russischen Soldaten ließ nicht lange auf sich warten. Er versuchte ein Wehrmachtsmotorrad zu starten, was ihm jedoch nicht gelang. Wir lagen im hohen Gras in Deckung, um nicht gesehen zu werden. Der Russe warf dann wütend und fluchend das Motorrad ins Gras und ging zu einem Ruderboot, das an der Elbe lag. Erst als er auch hier mit dem Boot weit auf der Elbe war, liefen wir zum Motorrad und stellten es für andere unerreichbar sicher. Das Motorrad konnte ja auch nicht anspringen, weil kein Benzin im Tank war. Aber für uns kein Problem. Benzin konnte besorgt werden. Somit hatten wir Jungs ein Motorrad, mit dem für uns alle die ersten Fahrstunden erfolgreich absolviert wurden.

Mit meinem Freund Horst machten wir uns auch Gedanken über den Verbleib der Beiwagenmaschine des Kradmelders und seiner Person. Traurigerweise fanden wir in der Nähe der Kapelle seine Wehrmachtspapiere und mit Blut durchtränktes Verbandszeug. Wir wünschen und hoffen, dass er die Verletzungen überstanden hat.

Anfang Mai wurde von den amerikanischen Truppen ein großes Kriegsgefangenenlager am Waldrand des Dorfes errichtet. Genutzt wurden auch die Baracke des Arbeitsdienstlagers. Das Gefangenenlager wurde später von englischen Truppen bis August 1945 weitergeführt. Zu diesem Lager war in unserer Diele das Versorgungsbüro und in der weißen Scheune auf dem Hof ein Versorgungslager eingerichtet worden. Das Grundstück war zur Dorfstraße hin mit einem Schlagbaum zur Kontrolle von Fahrzeugen abgesichert.

 So meine Erinnerungen nach 60 Jahren.
Arnold Jacobs
Brunsbütt im August 2005

Protokolle über dieses Gefangenlager konnten leider nicht im Nationalarchiv Richmont bei London ausfindig gemacht werden. In dem Protokoll des 335. US-Regiments vom Mai 1945 wird das Gefangenenlager Gorleben erwähnt.

 


Das Ufer der Elbe ist am oberen Rand des Luftbilds von Gorleben zu erkennen.

 
 

Es folgen einige Berichte von Karl-Heinz Schwerdtfeger, der im Winter noch das Gymnasium in Wittenberge besucht und in einer Schülerpension wohnt. Am 22. Februar wird nicht nur Dannenberg bombardiert sondern auch Salzwedel und Wittenberge. Nach diesem Bombenangriff verlässt der 12-jährige Karl-Heinz Wittenberge und geht zu seinen Eltern in Quarnstedt (Gartow).

Erschießung von Polen
 

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