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April 1945 in Pevestorf
Niederbrennen der Scheune vom Hof Conrad

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Von Karl-Heinz Schwerdtfeger

Die Situation:
Am frühen Morgen, bei Tagesdämmerung am 23. April 1945, war in Pevestorf die Schießerei mit Handfeuerwaffen verstummt. Die eingeschlossenen 18 Amis im Hause Conrad standen nicht mehr unter dem Druck angreifender Deutscher. Sie waren unbemerkt verschwunden. Nur einzelne Posten belauerten den Hof Conrad. Das Feuer amerikanischer Artillerie und der Granatwerfer war in den letzten beiden Stunden konzentriert auf die angreifenden Deutschen vor Restorf gelegt worden. Bei Tageslicht verstummte auch dieses Unterstützungsfeuer. Natürlich schoß die Ami-Ari auch weiterhin Störfeuer, insbesondere auf die Höhen des Höhbecks.
Im Gebiet von Schnackenburg bis Gorleben herrschte somit weiter starker Gefechtslärm.
 


Pevestorf, Hof Conrad, mit Blickrichtung nach Süden. Foto: 2002, Schwerdtfeger


Pfc. (Ogfr.) Rodney Bond, 3. Zug, I-Kompanie, 335. Rgt., 84. US-Infanteriedivision, umzingelt auf dem Hof Conrad und von der eigenen Einheit abgeschnitten, berichtet:

„... Inzwischen mußten wir feststellen, daß wir in unserem Hause allein geblieben waren. Alle anderen hatten sich aus Pevestorf zurückgezogen. Wir waren vom Feind eingekreist und von unserer Einheit abgeschnitten. Wie lange würde es wohl dauern, bis sie bemerkten, daß wir fehlten und in Pevestorf eingekesselt waren?
Ungefähr bei Sonnenaufgang war bei uns alles ruhig. Etwa um diese Zeit wurde erkannt, daß im Hause ein „zur Toilette zu gehen“ (wörtlich: plumbing = abprotzen, oder ganz vulgär ausgedrückt „kacken“) wegen der im Badezimmer befindlichen drei bissigen Gänse nicht möglich war. Das Geschäft mußte provisorisch draußen erledigt werden. ...“
„... Der Hof (farm yard) war zur Dorfstraße hin durch ein Stallgebäude und eine anschließende Steinmauer bis zur etwa 100 feet (ca. 30 m) entfernten Scheune abgeschlossen. Mit anderen Worten, man konnte vom Haus zur Scheune gehen, ohne von der Dorfstraße her von jenseits der Mauer gesehen zu werden. Die Scheune schien mir ein logischer Platz für mein Geschäft zu sein. So begab ich mich unbewaffnet dorthin.
Zwei andere GI.s schnüffelten dort herum, um zu sehen, was in der vergangenen Nacht alles zerstört worden war.
Da mußte ich die wahre Bedeutung des militärischen Grundsatzes erfahren, der wörtlich lautete: „getting caught with your pants down!“ (Sei auf der Hut mit herabgelassener Hose!)
Plötzlich schrieen meine zwei Kameraden mir etwas zu und rannten eilig zum Haus zurück.
Ich nahm an, die versuchten mich wegen meiner herabgelassenen Hose zu verspotten und murrte so vor mich hin. Mein verärgertes Murren wurde dann aber jäh unterbrochen, als ich aufgeregte Stimmen in Deutsch auf der anderen Seite eines Heu- oder Strohhaufens vernahm, der uns voneinander trennte.
So befand ich mich da mit runtergezogener Hose und hatte keine Waffe bei mir. Um die Sache noch schlimmer zu machen, steckten sie den Heu- oder Strohstapel in Brand. Tatsächlich begann es so schnell und gewaltig zu brennen, daß das Knistern des Feuers die Unterhaltung der Deutschen übertönte.
Ich weiß wirklich nicht, wie lange sie herumhantierten, um ihre niederträchtige Tat zu vollbringen. Aber ich kann sagen, daß es bei meinen Angstzuständen nicht sehr lange dauerte, bis ich zum Haus zu meinen Leuten hinüberbrüllte, sie sollten mir Feuerschutz geben, während ich zum Haus rennen wollte.
Leutnant Mike Citrac brüllte zurück: „Bevor du zurückrennst, nimm die walkie-talkie-Ersatzbatterie und einige Munition aus dem Jeep mit! Wir werden dir Feuerschutz geben!“ Zwei Kompanie-Jeeps waren seit gestern in der Scheune geparkt. Mit den beiden anderen Jeeps waren Offiziere unterwegs.
In den geparkten Jeeps befand sich eine Ansammlung von Munition für die Infanteristen. Handgranaten, Gewehrgranaten, Magazine für Gewehrmunition und Gurte mit Patronen des Kalibers 0.30 (7,65 mm) für Maschinengewehre.
Aber das Allerwichtigste war eine Batterie für unser Sprechfunkgerät walkie-talkie.
Ich fand einen Munitionssack und füllte ihn schnellstens mit der Ersatz-Batterie und mit einem großen Teil der Munition. Eine gute Idee dachte ich, in Kenntnis der Tatsache, daß wir fast die gesamte Munition, die wir bei uns getragen hatten, verschossen hatten. Dann brüllte ich zum Haus hinüber: „OK., ich komme jetzt!“
"Eingekreist vom Gewehrfeuer meiner Leute begab ich mich zurück zum Haus. Wegen des schweren Munitionssackes konnte ich nicht rennen. Aber man darf mir glauben,, daß ich ziemlich schnell spazierte! Ich konnte die Hitze des Brandes in meinem Rücken spüren, als ich losrannte. Doch ich kam heil durch.
Als die Scheune so richtig in Flammen stand, da schlug anscheinend eine Artillerie-Granate in den hinteren Teil ein und brachte dort das Dach und die Mauern zum Einsturz.
Ich weiß nicht, ob das unsere oder die Artillerie der Deutschen war. Wir fürchteten, daß der nicht sehr weit entfernte Stall ebenfalls Feuer fangen würde. Aber der Brand begrenzte sich auf die Scheune."

Pevestorf, 24. April 1945, mit Blickrichtung vom Wohnhaus nach Süden, niedergebrannte Scheune des Bauernhofes Conrad.
Im Hintergrund, jenseits der Dorfstraße, das anscheinend unzerstört gebliebene Haus der Familie Jürgens sowie das Haus der Familie Richter. Bildmitte die Ruine vom Stallgebäude des benachbarten Bauernhofes Heinrich Roost.
                             Foto: Privataufnahme von Rodney Bond
"Unsere zwei Jeeps, die Trailer und die Scheune selbst wurden vom Feuer völlig vernichtet.
Ich sah nie jene Deutschen, die ich reden gehört hatte, als sie den Heustapel in Brand steckten. Und anscheinend sahen sie mich auch nicht, dank eines Heuhaufens.
Die neue Batterie machte das Sprechfunkgerät wieder funktionsbereit und unser Leutnant konnte Hilfe anfordern.
Einer der erfreulichsten Anblicke im gesamten Kriegsverlauf war wenigstens für mich selbst, zu sehen, wie einer unserer Panzer die Straße herunter auf uns zu kam. ...“
Pevestorf, 26. April 1945, niedergebrannte Scheune des Bauernhofes Conrad, mit Blickrichtung von der Dorfstraße nach Osten. Weit im Hintergrund das Elbholz. Die zwei verbrannten Jeeps und die Trailer sind zu diesem Zeitpunkt auf der erfolglosen Suche nach den sieben vermißten Amerikanern halbwegs vom Trümmerschutt freigeräumt worden.
Foto:  Privataufnahme von Lt. (Leutnant) Bob Streeter, Zugführer 2. Zug, I-Kompanie, 335. Infanterie-Regiment.


(
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„... Mehrere Wochen später wurde ich mit dem „Bronce Star“ ausgezeichnet - durch Colonel (Oberst) Ridgely Bond, der mein Namensvetter und Regimentskommandeur war.

Da nun jeder weiß, wie „heldenhaft“ ich mich mit herabgelassener Hose beim Abprotzen (plumbing) verhalten habe, ohne Waffe, ohne Beachtung der Grundregel „getting caught with your pants down!“, und da jetzt jeder weiß, wie die Sache tatsächlich verlaufen ist, welche Ängste ich ausgestanden habe, da könnte der Leser bezweifeln, ob der Text der Verleihungsurkunde auf mich bezogen war. Denn da steht geschrieben:

„... Private First Class (Ogfr.) Rodney W. Bond 33949970, 335. Infanterie, United States Army. Für heldenhaftes (heroic) Verhalten in Verbindung mit militärischen Operationen gegen den Feind in Deutschland am 22. April 1945.
Während eines feindlichen Gegenangriffs auf ein deutsches Dorf, das von seiner Kompanie besetzt war, hat sich Private First Class Bond unerschrocken und mutig in eine ungeschützte Stellung begeben, um von dort bazooka-Raketen abzufeuern, wodurch mehrere Feinde getötet und die anderen in Deckung gezwungen wurden.
Später, als der Munitionsvorrat dieses Zuges zu Ende ging, begab sich Private First Class Bond, ohne jede Rücksicht auf eigene Sicherheit zu nehmen, zu einem benachbarten Gebäude und kehrte zurück mit der dringend benötigten Munition sowie mit einer Ersatz-Batterie für das Sprechfunkgerät.
Das versetzte seinen Zug in die Lage, dem feindlichen Gegenangriff zu widerstehen und das Funkgerät zu reparieren. Mit dessen Hilfe wurde der Feind schließlich zum Rückzug gezwungen.
Der Mut, die Initiative und die bewiesene Einsatzbereitschaft durch Private First Class Bond bewirken hohe Anerkennung für ihn selbst und für die Streitkräfte der Vereinigten Staaten. Er begann seinen Militärdienst in Pensylvania.
A. R. Bolling, Major General, US-Army. ...“
(Kommandeur der 84. US-Infanterie-Division)

(Veröffentlicht in: Kriegsende im Wendland, Band II, Karl-Heinz Schwerdtfeger)

 

Karl-Heinz Schwerdtfeger merkt zu den detaillierten Angaben des Rodney Bond an, dass er keine Bestätigung von den in dieser Hinsicht schweigenden Pevestorfern erhalten hat. Man könne solche Berichte deshalb nicht als Tatsachen bewerten.
Eine solche Vorsicht gilt aber für alle Zeitzeugenerzählungen!
 


Aus Sicht der deutschen Zivilbevölkerung berichten Margret Voelkel und ihre Tochter Linde wie sie diese Tage erlebt haben:

        Zwischen den Fronten

 

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