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Wendländische Küche
Die großen Feiern
(60er Jahre)

 

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Auch bei den Kindergeburtstagen wird der Tisch feierlich mit den Sammeltassen gedeckt

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 
Traditionell waren die Familienfeiern wichtige gesellschaftliche Ereignisse. Sie gehörten zu den wenigen Anlässen, bei denen man auch mal das eigene Dorf verließ, verwandtschaftliche Kontakte aufrecht hielt und den "jung Lüt" die Möglichkeit gab, Partner zu finden. Ganz besonders natürlich bei den großen Bauernhochzeiten mit Musik und Tanz. Bei Taufen und Konfirmationen ging es wohl gesitteter zu. Allen Feiern gemeinsam war aber das ausgiebige Essen und Trinken.
(Fett, süß und alkoholreich.)
Wir wollen hier die Feiern beobachten und dabei immer wieder einen Blick in die Küche werfen.
 
Am Tag vor der Hochzeit, am Polterabend, kann schon mal eine Menge Alkohol fließen. Da kommen nämlich alle nicht geladenen Gäste, zertrümmern ihr altes Porzellan und müssen abgefüllt werden, damit sie am nächsten Tag nicht scheel auf die Feiernden schauen. Am nächsten Tag sind sie aber zum "Schnur ziehen" wieder fitt. Wenn der Hochzeitszug oder -konvoi von der Kirche kommt, spannen je zwei Personen eine mit Blumen geschmückte Schnur über die Straße. Der "Zoll" besteht aus Süßigkeiten für Kinder und Schnaps für Erwachsene.
 
In der Küche ist schon Tage lang vorher viel Arbeit. Vielleicht wird eine für Großgesellschaften geübte Kochfrau engagiert, die dann in der Küche das Sagen hat. Aber entscheidend sind viele Helferinnen, die ja auch alle versierte Köchinnen sind. Im Alltag sind sie aber selbst Chefin. Somit mag es hier einige gruppendynamische Prozesse geben, die wir jetzt nicht weiter ausmalen wollen.
 
Der Tisch ist gedeckt. Kommen wir zum ersten Gang, der Hochzeitssuppe. Egal welche Feier, diese Suppe ist Standart, aber es gibt sie in vielen Variationen. Die Eigenart der "Wendländischen Hochzeitssuppe" ist wohl gerade, dass das Rezept nicht festgelegt ist. Neben der Fleischbrühe (woraus auch immer) sind Spargel, Eierstich und Klöße aus Hackfleisch und Semmelbrösel wichtig. Entscheidend ist, dass der Eierstich gut gelingt. Deshalb hier das Rezept:
 
"Eierstich
4 Eier gibt man in einen höheren Topf, 1 Teelöffel Salz, geriebene Muskatnuss. Hierzu 1/8 Liter Milch. Schlägt dieses tüchtig durch. Rührt nach und nach 1/4 Liter Milch hinzu, kocht dieses im Wasserbad 1/2 Stunde. Mit einem Buntmesser schneidet man hiervon kleine schräge Stücke. Anstatt Milch kann man auch Fleischbrühe nehmen."
Eine spätere Notiz besagt: Die Eier ungeschlagen abmessen und die gleiche Menge Milch dazutun. Den Behälter im Wasserbad nicht abdecken, aber den Wassertopf abdecken.
 
Da man bei der Suppe schon paar mal nachgeschöpft hat, lässt man sich für die Auswahl an Hauptgängen Zeit. Bis sie aufgetischt sind, kann schon mal eine Rede gehalten werden. Es wird auch bald Schnaps und Likör "zur besseren Verdauung" rumgereicht. Die Kinder und Jugendlichen am Extratisch können die Förmlichkeit nicht mehr ertragen und  werden unruhig und die Unterhaltungen werden lockerer. Die Frauen aus der Küche sind noch im Stress. Es gibt jede Menge Nachtisch zu servieren. Heute stehen folgende zwei zur Auswahl:
 
"Welfenpudding
1 1/2 Liter Milch lässt man kochen, hierzu rührt man 1/4 Pfund Gries.
1 Paket Vanillezucker, 7 Esslöffel Zucker, 3 Eiweiß werden zu festem Schaum geschlagen. Diese zieht man während dem Kochen leicht darunter. Gibt es in eine Glasschale. Anstatt Gries kann man auch Maizena nehmen.
Weinschaumsoße
1/4 Liter Weißwein, 1/4 Liter Wasser, 1 Teelöffel Kartoffelmehl, 3 Pfund Zucker, 3 Eigelb. Dieses alles zusammen gibt man in einen Topf, schlägt gut durch, setzt auf schwaches Feuer und schlägt so lange, bis dieses eben aufkocht. Diese Soße gibt man über den Pudding."
 
"Krokant Pudding
1 1/4 Liter Milch lässt man kochen. In eine Pfanne gibt man 3 Pfund Zucker, lässt unter Rühren gelbbraun werden. Nimmt es vom Feuer, gibt 50g feingeriebene Mandeln hinzu, gibt es auf ein Blech und klopft es fein. (Krokant).
In einem Milchtopf verrührt man 2 Eigelb und 6 Esslöffel Vanille-Zucker mit 1/4 Liter Milch und gibt es zu der kochenden Milch. 3 Pfund Zucker, den Krokant und das feste Eiweiß zieht man während dem Kochen leicht darunter."
 
Endlich ist die Gesellschaft bedient und verteilt sich für eine kurze Pause. Einige raffen sich zu einem Verdauungsspaziergang auf. Die Männer ziehen sich zum Zigarre rauchen ins "Herrenzimmer" zurück.
Die Kochfrauen erlauben sich, von den Resten zu essen und dann machen sie sich über den gestapelten Abwasch her. (Keine Spülmaschine!) In Kürze muss hier wieder Platz sein, um den Kuchenbergen für die Kaffeetafel den letzten Schliff zu geben.
 

Bevor es üblich wurde, den Boden für die Obsttorte fertig einzukaufen, wurde ein unvergleichbar besser schmeckender Tortenboden aus Mürbeteig selbst gebacken. In einem handschriftlichen Kochbuch, das noch eine Generation älter ist, als das bisher zitierte, heißt es (mit später eingefügter Korrektur):

"Sehr guter Mürbeteig zur Obsttorte
200g Mehl
150g Butter
2 Eigelb (bricht, lieber ein ganzes Ei)
2 Esslöffel Zucker
1 Messerspitze Backpulver
Kurz vor dem Gebrauch mit Obst belegen."

 

 
Die sind zum Rumkugeln:
"Schokoladentrüffel
100g Schokolade lässt man weich werden. Hierzu 100g Puderzucker, 1 Esslöffel Kakao, 2 Esslöffel Sahne, 1 Paket Vanillezucker, 1 Esslöffel Butter, 1 Flasche Rum-Aroma.
Dieses alles knetet man gut durch. Hiervon formt man kleine runde Kugeln, rollt diese in Schokoladentrüffel um. Lässt diese an einem kalten Ort fest werden."
 

An der Auswahl der gelungenen Kuchen und Torten wird die Frau des Hauses gemessen. Da wird das ganze handwerkliche Können gezeigt.

Das Essen geht noch eine ganze Weile weiter: "Nimm doch noch ein Stück Torte." "Es ist noch Sahne da."
So geht es bis der Tisch fürs Abendessen neu gedeckt werden muss.

Etwas Zeit, die Geschenke zu begutachten. Vielleicht haben sich auch schon neue Paare gebildet. Aber für die kommende Abendtafel muss die Sitzordnung noch eingehalten werden, das heißt die Unverheirateten müssen neben den zugeteilten Tischdamen / Tischherren sitzen.

 
Dann werden die Käse und Wurstplatten aufgetischt.

Wenn der Tag harmonisch verlaufen ist und höchstens einzelne Gäste sich grollend wegen verletzender Bemerkungen in Klatsch und Tratsch vorzeitig zurückgezogen haben, kann es noch ein langer Abend werden.

 
Gegen Mitternacht gibt es wieder Kaffee. Es ist noch genug Kuchen da.
Die Speisekammer (der "Kellerboden") steht auch am nächsten Tag noch voll davon, so dass  alle Frauen vom Dorf zu einem Kaffeenachmittag eingeladen werden können.
Je nach Anlass und gesellschaftlichen Verpflichtungen kann es auch weitere Nachfeiern geben.
Es wird berichtet, dass in noch früheren Zeiten, als man nicht mal eben nach Hause fahren konnte und die Anreise zu Fuß und mit Pferdewagen eine längere war, die großen Bauernhochzeiten über mehr als drei Tage gingen. Man hatte sich auf dem Wagen Betten mitgebracht und der eigene Hof wurde von den Nachbarn betreut.
   
 

Auf der nächsten Seite arbeiten die Männer auch wieder.
  Bau des Jeetzelkanals in Lüchow.
 

 

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