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Grenze
Das Wendland am Ende der Welt
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Zum Thema
John F. Kennedy,
26.06.1963:
Ich bin ein Berliner
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Nicht jeder, der nach 1950 im
Landkreis (oder sonst in der Nähe der Grenze) geboren und aufgewachsen
ist, wird meine starke emotionale Betroffenheit in jener Zeit
nachvollziehen können. Viele der folgenden Texte sind originale
Aufzeichnungen aus der jeweiligen Situation. Die Ich-Form bezieht sich
auf den Webmaster.
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Als Kind ist mir die Grenze immer bewusst. Vater und Oma erzählen
und sie können ja nicht zurück in ihre Heimat. Mutter reist einmal zu
einer Cousine in der Altmark. Aber ansonsten haben wir keine Verwandten in
der "Ostzone" und ohne Einladung ist kein Besuch dort möglich.
1961 erlebe ich die große Aufregung über den Mauerbau und den endgültigen
Eisernen Vorhang als Resignation bei den Erwachsenen meiner Umgebung.
Als Kennedy in Berlin sagt: "Ich bin ein Berliner", überwiegt das
Gefühl: Uns kann wenigstens nichts passieren. Wir sind in Sicherheit.
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Vater zieht es all die Jahrzehnte nicht zurück in seinen Geburtsort. Nie
habe ich den Eindruck, dass er um den Verlust trauert. Er erzählt manches
aus der Kindheit, aber immer neutral ohne Trauer. Auch seine Mutter ist
froh, im Westen gelandet zu sein. Aber sie stammt ja auch aus dem Landkreis.
Das Gefühl, auf der sicheren Seite zu sein, überwiegt während der
Kindheit.
Mit wachsender Mobilität durch ausgedehnte
Fahrradtouren wird mir die Grenze zum Ärgernis. Allzu häufig
stoße ich auf zerstörte Brücken, unterbrochene Straßen und
verwaiste Fähranleger. "Halt! Hier Zonengrenze". |
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An der zerstörten Straßenbrücke nach Dömitz 1967.
Fotos von H. J. Spornhauer. |
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Westdeutsche Boote der
Wasserschutzpolizei und die Schnellboote der DDR-Grenztruppen
patrouillieren auf der Elbe.
Das nicht Erreichbare wird zum besonderen Interesse. Ich höre
häufig DDR-Sender im Radio und führe umfangreichen Briefwechsel
mit Jugendlichen von "drüben".
Zu den bedrückendsten Erfahrungen mit der Grenze gehört meine
pubertäre Liebesgeschichte mit Elisabeth aus Osterburg in der
"SBZ". |
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In zahlreichen Briefen von Wolfgang und Elisabeth erfahre ich vieles
über das Leben drüben und dass man dort auch normal leben kann,
ganz im Gegensatz zu dem Eindruck, der sich aus westlichen Medien
ergibt.
Im Westradio immer wieder Meldungen von missglückten
Fluchtversuchen. Tote in der Elbe, Tote am Zaun, Tote an der Mauer
in Berlin.
Und ich stehe in Lübbow an der kaputten Brücke über den
Landgraben, sehe die Wachtürme, hab das Bild von Elisabeth im Kopf
und will nach Osterburg. Aus dem "Ärgernis" wird Wut.
Warum darf ich da nicht mal eben hinradeln? |
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1969 bietet der Kreisjugendring eine Fahrt nach Berlin an.
(Hans Naumann muss ich für sein großes Engagement für die
politische Bildung im Landkreis noch ein Denkmal in diesem Web
setzen.) |
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Bei der Grenzkontrolle in Berlin werden wir gefilzt. Die Vopos
finden in meinen Papieren die Adresse von Elisabeth und notieren sie
interessiert. Im nächsten Brief teile ich das Elisabeth mit. Es
macht ihr Sorgen wegen ihrer beruflichen Zukunft und sie entschuldigt
sich, dass sie keine irgendwie kritischen oder politischen Aussagen
mehr machen will. Kurze Zeit später bricht sie den Briefkontakt ab. |
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Berlin 1969 :
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Schon die Busfahrt über die Transitautobahn durch die DDR ist
spannend. Ich sehe erstmals das „verbotene Land“. Ich habe den
Zaun am End' der Welt überschritten.
Natürlich machen wir die üblichen Besichtigungen, die wohl jeder
Schüler mit der Schulklasse bei der fast obligatorischen
Berlinreise macht. |
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Ich bin nicht zum ersten Mal in einer Großstadt. Aber jetzt
interessieren schon mehr das Nachtleben und die Discos. Big Apple, Riverboat und Chee Tah sind mit Sound, Lautstärke und Lightshows
eine Nummer anders als die Clenzer Mühle. |
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Dann die Grenze, die Mauer, die Teilung.
Die meisten Diskussionen drehen
sich um
einen friedlichen Weg, die Grenze durchlässiger zu machen. |
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Aber das große Nachdenken beginnt
bei und nach einem Streifzug
durch
Ost-Berlin = Berlin, Hauptstadt der DDR.
Wir begegnen einer Parade der NVA. Wachablösung oder so.
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Bestürzend und verwirrend ist es, den Säulen der Macht ins Gesicht zu
schauen.
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Verwirrend umso mehr, weil das Gleiche auf der anderen Seite die
bessere Demokratie (?) schützt.
Dieses "Hüben wie Drüben" bleibt als Haupteindruck.
Es fällt mir zunehmend schwerer, zwischen Guten und Bösen zu
unterscheiden.
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Auflösung einer Demo in West-Berlin.
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"1968" hat ja in Lüchow nichts stattgefunden. Aber das
Attentat auf Rudi Dutschke hat die "Studentenrevolte" auch in
mein Bewusstsein gebracht. Was ich aus den Medien mitbekomme, kann ich vorerst
nicht einordnen.
Unter dem Dach der Jungdemokraten bildet sich in Lüchow eine kleine
AG zum Studium von Karl Marx: "Das Kapital". Ich will
verstehen.
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1973: Mit der DKP in die DDR
(Seite erstellt 2005) |