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Karl Heise, einer der ersten Busfahrer im Wendland
(Erzählt von Henning Gärner)


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Auch wenn mein Großvater Karl Heise (1890 bis 1971) kein gebürtiger Wendländer ist, so hat er doch über 50 Jahre lang Spuren in seiner neuen Heimat Gartow hinterlassen. Karl Heise wurde am 14.2.1890 in Kemme bei Hildesheim geboren. Über freundschaftliche Kontakte zur Familie Loelf aus Thunpadel kam er erstmals ins Wendland und absolvierte hier von 1905 bis 1907 eine Schlosserlehre in Dannenberg. Danach war er bis 1910 als Schlossergeselle in Rosche tätig. 1911 besuchte er eine Fahrradmechanikerschule in Rheine/Westfalen und erwarb dort auch den Führerschein.


Karl Heise 1911 in Rheine/Westfalen am Steuer eines Opel Torpedo Doppel-Phaeton

Im Herbst 1911 begann sein Militärdienst beim Königlich Preußischen Kraftfahrt- Bataillon in Berlin-Schöneberg. Nach seiner Entlassung kam er im Oktober 1913 nach Lüchow und lernte dort seine spätere Ehefrau kennen – Martha Böttcher aus Gartow, geboren am 3.12.1890 in der gräflichen Dienstwohnung ihrer Eltern in der heutigen Hahnenberger Straße 19. Sie war seinerzeit Hauswirtschafterin bei der Familie Gruppe in Lüchow, dem Herausgeber der Jeetzel-Zeitung. Nach Ausbruch des 1. Weltkrieges wurde Karl Heise erneut zu den Kraftfahrttruppen einberufen und kämpfte in Frankreich, Russisch Polen, Siebenbürgen und Flandern.

Ende 1918 kam er aus dem Krieg zurück und heiratete am 18.2.1919 seine Martha, die damals Köchin bei einer Familie Nolte in Lüneburg war. In Gartow machte er sich mit einem Fahrrad- & Nähmaschinenhandel samt Reparaturwerkstatt selbständig. Wohnung und Geschäft befanden sich damals im heutigen Haus Schulstraße 2 am Friedhof, welches dem Sägewerksinhaber Herbst gehörte.


1917 als Soldat bei den Kraftfahrttruppen

 
In diesen Jahren versuchte er sich auch am Betrieb einer (letztlich unwirtschaftlichen) Buslinie zwischen Dannenberg und Gartow. Daher übernahm er gern die Stelle eines Hilfs-Postkraftwagenführers beim Postamt Lüchow.


1925: Ernennung zum Postkraftwagenführer

Die Linie Lüchow – Gartow war die erste Überlandverbindung im Bereich der Oberpostdirektion Hannover. Bei der Eröffnungsfahrt im Oktober 1920 ging es im vollgummibereiften Büssing-Omnibus mit stattlichen 28 km/h Richtung Gartow. Obwohl er großen Wert auf seine Unabhängigkeit legte, beherzigte er den guten Rat seiner Frau und blieb der Deutschen Reichspost treu. Am 5.7.1925 wurde die Buslinie Dannenberg – Gartow eröffnet, seit dem 28.10.1926 war er Postkraftwagenführer als Beamter auf Lebenszeit. Seinen Fahrradhandel betrieb er nebenbei weiter.


5.7.1925 in Dannenberg: Eröffnung der Postbuslinie von Dannenberg nach Gartow. Links Karl Heise, daneben am Fenster sein Kollege Richard Giese, hinten am Fenster Martha Heise.

 


Dannenberg Marktplatz Eröffnungfeier der Buslinie Dannenberg - Gartow. Der Herr mit Mantel und Hut ist Bürgermeister Dr. Carl Nörtemann.
(Foto aus www,wendland-archiv.de)

 


Ein weiteres Foto aus www,wendland-archiv.de. Dort heißt es dazu: Der erste Omnibus auf der Linie Dannenberg-Gartow-Schnackenburg. Wagen Nr. II (?), N.A.G. Hamburg, PS: 34/38, Gewicht: 2100kg. Gestell-Nr.: 10744. Polster: braunes Kunstleder, Sitzplätze: 14, Anstrich: grau.

 


Etwa 1926 in Lüchow bei der Hochzeit von Fritz Meding und Emma Böttcher, Halbschwester von Martha Heise. Letzte Reihe stehend 3. und 4. von rechts: Karl und Martha Heise.

 

Auch im privaten Bereich gab es Veränderungen. Die beiden Töchter Lieselotte und Irmgard wurden 1919 und 1922 geboren, so dass der Raumbedarf wuchs. Die ständig steigende Fahrradnachfrage nach den Inflationsjahren ermöglichte ihm den schuldenfreien Neubau eines stattlichen Hauses in der Hahnenberger Straße 31. Das Grundstück kaufte er für 1,20 Rentenmark pro m² von der Realgemeinde Gartow. Auf dem Baugrund standen 12 knorrige, alte Eichen, die dem Grafen Andreas Gottlieb von Bernstorff gehörten. Weil dieser aber nicht auf sein von 1848 datierendes Eichenrecht verzichten wollte, ließ meine Großvater die Bäume in der Morgendämmerung kurzerhand fällen und stellte die Stämme dem Grafen zur Verfügung. Dieser reagierte versöhnlich und zollte dem Mut meines Großvaters Respekt.
 

 

Im Juli 1926 begann die Firma August Herbst mit dem Bau. Der Einzug in das neue Haus konnte im Oktober 1927 gefeiert werden. Alte Aufzeichnungen belegen Gesamtkosten von 18.321 Rentenmark.


1930 in Gartow: mit Ehefrau und Töchtern als stolze Besitzer vor ihrem neuen Haus

In der NS-Zeit durften Beamte nebenher kein Gewerbe betreiben. Daher überschrieb er den Fahrradhandel auf seine Frau, was ihn aber nicht vor einer Anzeige durch den Schlosser Delius, einen Gartower Konkurrenten, schützte. Karl Heise argumentierte in einer Verhandlung beim Postamt Dannenberg allerdings, dass ihm niemand verwehren könne, in der dienstfreien Zeit seiner Ehefrau zur Hand zu gehen.

Aus seiner Aversion gegen das NS-Regime machte er keinen Hehl, einmal jedoch war er wachsam. Als ein fremder Mann in seinen Bus stieg, sich hinter ihn setzte, ihm jovial eine Zigarre anbot und auf Hitler zu schimpfen begann, da ahnte mein Großvater, dass dieses ein Spitzel war. Er hielt sich also bedeckt und antwortete nur, aus politischen Dingen würde er sich völlig heraushalten. Diese Wachsamkeit hat ihm vermutlich großen Ärger erspart. Zur Verhandlung kam es dennoch, aber der ihm wohlgesonnene Gartower Dorfpolizist Wedekind hatte ihn vorab über die Anschuldigungen informiert (und dabei selbst Kopf und Kragen riskiert). So konnte er sich entsprechend vorbereiten.

Von Mitte 1938 bis zum Herbst 1940 war er an den Westwall abkommandiert, zur Einsatzstaffel West der Deutschen Reichspost in Wittlich/Eifel. Es folgte eine kurze Paketfahrertätigkeit in Hannover, danach war er wieder Omnibusfahrer im Kreis Uelzen. Nach Ende des 2. Weltkrieges wurde Karl Heise, der Zusammenarbeit mit dem NS-Regime unverdächtig, von der britischen Besatzungsmacht für 2 Monate zum ehrenamtlichen Bürgermeister der Gemeinde Gartow berufen.

Generationen von Schulkindern sind mit ihm gefahren, und einer dieser Schüler hat ihm einst das Leben gerettet. Beim Warmlaufen des Anthrazitkochers seines Omnibusses hatte mein Großvater vergessen, das Tor der Fahrzeughalle zu öffnen. Der 1937 geborene Dietrich von Amsberg fand ihn bewusstlos auf dem Boden der Halle, reagierte sofort und zog ihn ins Freie. So entging er knapp der tödlichen Kohlenmonoxidvergiftung.


10.10.1938 in seiner Postuniform


um 1949 mit seiner Ehefrau im Garten ihres Hauses


1966 bei der Arbeit in seiner Fahrradwerkstatt

Bei anderer Gelegenheit war seine Familie der Lebensretter. Das war lange vor dem Anschluss Gartows an die Kanalisation. Seinerzeit wurde die Fäkaliengrube von Zeit zu Zeit entleert, um die Wände des Dreikammersystems neu zu teeren. Dieses Mal waren es wohl Faulgase oder Ammoniakdämpfe, die Karl Heise hatten ohnmächtig werden lassen, jedenfalls war die Bergung des stattlichen Mannes aus der Grube nicht ganz einfach.

Während seiner langjährigen Zeit als Postbusfahrer legte er weit mehr als eine Million unfallfreie Kilometer auf den Straßen des Landkreises zurück. Überall kannte man „Vadder Heise“ als geradlinigen, zuverlässigen und humorvollen Menschen, dem seine Familie über alles ging.

Am 28.2.1955 ging Karl Heise in den Ruhestand. Er genoss seine Zeit als Pensionär, machte einige Male bodenständig Urlaub in Lautenthal im Harz, verbrachte viel Zeit mit seinem Enkel, betrieb aber bis kurz vor seinem Tod die Fahrradwerkstatt weiter. Noch lange danach rühmten die Gartower die Leichtgängigkeit seiner Räder, obwohl er von Gangschaltung und anderem modernem Schnickschnack nichts wissen wollte. Karl Heise starb am 29.9.1971, seine Frau am 8.6.1983. Das Haus in der Hahnenberger Straße befindet sich seit 1996 nicht mehr im Familienbesitz.


28.2.1955: Verabschiedung in den Ruhestand
Karl Heise mit Blumenstrauß.


Sommer 1960 mit seinem Enkel Henning


Elbe-Jeetzel-Zeitung von 1954

   
 

Sprung zurück in die 1920er Jahre und zu

Wolters in Nauden

 

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