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Wustrow 1920 bis 1939

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Große Probleme unter Tage und mangelnde Rentabilität führen in den zwanziger Jahren zur Stillegung der Kaliwerke. Aus Sicherheitsgründen werden die Schächte nacheinander geflutet und die oberirdischen Anlagen gesprengt und planiert. Die Größenordnung dieser Produktionsstätte ging nahezu in Vergessenheit, bis das Museum Wustrow mit umfangreicher Ausstellung diesen Abschnitt der Geschichte Wustrows wieder ins Bewusstsein brachte. ( Literatur:  Kali und Leinen).

Fotos und Recherchen Carola McRae.

 
Die junge Familie von Ernst Wolter wird 1923, als die Kinder noch klein sind, durch einen Schicksalsschlag schwer getroffen. Mutter Louise stirbt an Tuberkulose.
Vater Ernst heiratet in zweiter Ehe Ella Carstens aus einer alten Wustrower Handwerkerfamilie. Seine bisherigen Schwiegereltern nehmen ihm die schnelle zweite Heirat übel. Sie holen die älteste Tochter Agnes zu sich nach Flachstöckheim. Agnes kommt nur noch selten nach Wustrow, aber  zu ihrer Konfirmation 1928 besteht der Vater darauf, dass sie in Wustrow feiert. Deshalb finden wir die drei Geschwister Agnes, Elisabeth und Ernie Wolter auf diesem Foto.
Elisabeth, hier auf dem Stuhl sitzend, und Ernie kommen mit ihrer Stiefmutter gut aus. Diese Frau, deren Vater Stellmacher ist,  scheint Bauernblut in den Adern zu haben. Mit ihr an seiner Seite gelingt es Ernst Wolter mit seiner Landwirtschaft die Jahre der großen Arbeitslosigkeit in Wustrow zu überstehen.

Ausflug der Wustrower Schule zur Kieskuhle in den "Teplinger Tannen" (Nachbardorf Teplingen) 1930. Irgendwo zwischen den vielen Schülern (die Fotos sind nur Ausschnitte) sitzen auch Elisabeth und Ernie Wolter.

Vom Wustrower Erntefest wird noch öfter die Rede sein. Aus den zwanziger Jahren liegen zwei Fotos vor.
Links der Kinderumzug, den alle Wustrower immer als besonderes Ereignis in Erinnerung haben. Aber vielleicht noch mehr die eigentlichen Vergnügungsfeiern, bei denen sich so manches spätere Ehepaar kennen lernt.


Ernst Wolter wird mit seinem geschmückten Erntewagen für viele Jahre zum festen Programmpunkt beim Festumzug. Das Foto ist aber vom Handwerkerfest.

 
Nach Schließung der Kaliwerke sind Wolters jetzt ganz auf ihre kleine Landwirtschaft angewiesen. Sie müssen dringend einen Haupterwerb daraus machen und suchen deshalb einen größeren Hof. Zunächst wirtschaften sie noch in der Enge der Langen Straße und von dort gibt es ein schönes Foto. 
Frau Wolter hat große Wäsche im Hof. Eine selten aufgenommene Szene. Besonders interessant ist der Wäschestampfer:
"Im glockenförmigen Behälter steckt ein zusätzlicher Teil, sodass dazwischen ein Hohlraum gebildet wird. Der durchlöcherte Teil (auch Siebbecher genannt) wird beim Stampfen gegen den Widerstand einer innen liegenden Federung gedrückt, die beim anschließenden Hochheben die beiden Teile wieder auseinander drückt. Dabei presst die Wäscheglocke mit Siebbecher nicht nur die Lauge mit dem Schmutz aus dem Gewebe, sondern saugt die Lauge an und sprudelt diese dann anschließend wieder über das Waschgut, wodurch es gut durchflutet wird. So wird durch das sprudelnde Wasser das Gewebe durchspült und der gelockerte Schmutz besser fortgeschwemmt."
Die Funktionsweise der Wäscheglocke hätte ich wohl kaum erfahren, wenn es nicht das Internet gäbe:
www.waeschepflegemuseum.at
Ende der zwanziger Jahre gelingt es Wolters, einen größeren Hof in der Bahnhofstraße zu erwerben. Die Jeetzel hat zu dieser Zeit noch einen zweiten Arm, der einen Teil von Wustrow zur Insel macht. Dort liegen unter anderem der Friedhof und daneben der neue Woltersche Hof.
Ernst ist wie so viele Wendländer "Pferdenarr". Neben dem Ackerbau züchtet er Arbeitspferde.

Familie Wolter beim Sonntagsspaziergang durch die Felder. Man beachte die Höhe des Getreides! Erst viel später wird Getreide auf kurze Halme gezüchtet


Ernst Wolter sen. führt stolz sein Gespann vor.


Das schönste Bild in dieser Website. Ebenfalls eine selten fotografierte Szene. Herr Wolter steht an der hohen Jauchepumpe und befördert die Gülle aus der Grube unter dem Misthaufen (rechts) in das Jauchefass auf dem Leiterwagen, von dem für diesen Zweck die Seitenplanken oder Leitern abgenommen wurden. Da Wolter von kleiner Statur ist, hat er sich auf einen Hauklotz gestellt.  Er muss sich nach hinten lehnen, um den großen Schwengel der Pumpe zu bedienen. Man sieht förmlich, wie er mit den Füßen balanciert. Gleich wird er absteigen, das Auslaufrohr der Pumpe vom Fass abnehmen und über den Misthaufen schwenken oder vorne auf den Eimer legen. Das Pferd ist eingespannt und wartet geduldig auf die nächste Fahrt zum Acker.

Wir überschreiten das Jahrzehnt und sind jetzt in den dreißiger Jahren. Die Kinder sind Jugendliche geworden. Elisabeth hat ihr erstes Fahrrad bekommen, kein Luxusartikel für die Freizeit, sondern eine Hilfe bei der Landarbeit: Kaffee bringen, melken fahren ...

Trotz häufigen Einsatzes in der elterlichen Landwirtschaft hat Elisabeth Zeit für Freundinnen und einige der Freundschaften werden bis ins hohe Alter halten.
Viel Spaß gibt es beim Kahn fahren auf der Dumme und den Jeetzelarmen.
Die Freundin Gretchen Till heiratet bald nach Metzingen. (Dort wohnt sie heute noch, ist jetzt über 90 Jahre alt und hat mit vielen Informationen zu diesen Seiten beigetragen.)
Oft trifft man sich bei Familie Fritze, die einen Kahn auf dem Wallgraben hat.
Der Wallgraben ist links von der Langen Straße unter Dr. Hirts Haus (heute Museum) bis zur Jeetzel verrohrt. Auf der anderen Seite verläuft  der Wallgraben zwischen Fritzens Haus und der Tischlerei Meiner zur Dumme und ist mit Booten befahrbar. (Er wird später zugeschüttet und heute verläuft dort die Wallstraße.)

Treffpunkt am Wallgraben. Schwieriger Einstieg. So ein Kahn ist ganz schön wacklig!


Familie Wolter baut zusätzlich ein Milchgeschäft auf. Milch und Milchprodukte beziehen sie von den Molkereien. Es ist überliefert, dass Ernst regelmäßig zum Wareneinkauf bis zur Clenzer Molkerei fährt. Alten Wustrowern ist der Laden noch als Milch-Wolter in Erinnerung.
Carola McRae: "Das ist der Milchwagen von meinem Opa. Meine Mutter ist immer mitgefahren und hat verkauft. Im Winter eine sehr kalte Arbeit!
Meine Mutter konnte später ihr ganzes Leben lang ein halbes Pfund Butter genau in der Mitte teilen."
"Das Kannenwaschen gehörte dazu. Wenn der Abwasch im Haus fertig war, kamen die Kannen an die Reihe. Der Helfer hier ist als "Otto" beschrieben und muss ein Freund der Familie gewesen sein. Er ist auf einigen Fotos oft mit Ernie."


Für die Heuernte werden hier noch Forken (Gabeln) aus Holz benutzt. Sohn Ernie,
zweiter von links, vergrößert als hoffnungsvoller Hofnachfolger die Rinderhaltung auf
12 Milchkühe.

Auch eine Imkerei gehört zum tüchtigen Landwirt. Eine Schutzkleidung braucht er nicht, aber die Pfeife muss sein. Aus einer Ansichtskarte: Der Weg in die Felder führt vorbei am "Kriegerdenkmal", das sehr bald erheblich mehr Namen aufnehmen muss, auch den von Ernie Wolter.
In den dreißiger Jahren wird auch in Wustrow die wichtigste Innenstadtstraße umbenannt. Der überall einziehende Geist hat es vielleicht in Wustrow ein wenig schwerer Fuß zu fassen, als im übrigen Wendland? Oder wegen der besonderen Arbeitslosigkeit gerade noch leichter?

Vorher nehmen wir eine weitere Spur auf, die uns später in die heute nicht mehr existierende Waldsiedlung Parpar führen wird. Sie beginnt in

Mützingen
 

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