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Parpar 1925-1940
Lisa Niehus erzählt vom einsamen Leben in der
Forstgehilfensiedlung
(Siehe auch
Parpar vor unserer Zeit)
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Mehr von Parpar
Parpar 1930-1939
Parpar 1945-1965
Spurensuche 2008
Vorgeschichte von Parpar
Einwohnerbuch von 1929:
Ernst Johann Baas-Emme, Arbeiter, Parpar 1
Wilhelm Gebers, Arbeiter, Parpar 2
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Elsbeth und Ernst Baas mit Tochter Lisa Niehus (
Mützingen bis 1926)
übernehmen 1926 die Forstgehilfenstelle und den dazugehörigen Hof in
der kleinen von Wald umgebenen Siedlung Parpar, die heute nicht mehr
existiert. Ein zusammenhängendes Waldgebiet von mehr als 1000
ha gehört zu dieser Zeit dem Staat und wird vom Forstamt in Dannenberg
bewirtschaftet. In Parpar wohnen auf zwei Höfen die Forstarbeiter
mit ihren Familien und betreiben eine kleine Landwirtschaft auf
Lichtungen im Wald - zusammen 2 ha.
Lisa Niehus (später Bakowski) erzählt von ihrer Kindheit und Jugend
in Parpar: |
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Ich ging nur ein halbes Jahr zu Lehrer Hard in die Schule
von Wibbese, denn wir zogen
um in ein abgelegenes Nest mitten im Wald, nämlich nach Parpar und dort war ich
allein. Es gab keine anderen Kinder. Das wurde mir ziemlich schwer, denn ich
musste ja immer den ganzen Weg durch diesen großen Wald nach Lenzen laufen. Ein
Viertel Jahr lang hat meine Mutter mich gebracht. So lange dauerte es, bis ich
mich an den Weg gewöhnt hatte. Sie nahm das Fahrrad und wir gingen nach Lenzen.
Sie konnte dann mit dem Fahrrad zurückfahren. Wenn die Schule aus war, holte sie
mich wieder ab.
Zu der Zeit gab es schon die Schwengelpumpe an der großen Eiche. Aber am Weg
nach Schmardau war noch der alte Brunnen. Onkel hat mich immer gewarnt, da
hinzugehen. Da würde mich keiner finden, wenn ich da reinfalle. Aber dann war
mal ein Reh hineingefallen. Der Förster kam zu meinem Vater und sie nahmen ein
Brett und Seile mit. An den Seilen haben sie das Brett runtergelassen und
irgendwie haben sie das Reh dazu bewegt, sich auf das Brett zu stellen, so dass
sie es hochziehen konnten. Kaum sah es den Waldboden, sprang es hoch und lief
davon. Es war unverletzt.
Mein Vater hat in Parpar 1926 die Stelle von seinem Onkel Johann Emme
übernommen.
Es gab zwei Höfe in Parpar, die nur ganz wenig Landwirtschaft
hatten.
Hauptberuflich waren die Männer Forstgehilfen und die Familien wohnten
dort bis zur Rente als Pächter.
Johann Emme (geb. etwa 1861) hatte drei Kinder, die trotz niedriger
sozialer Stellung der Eltern höhere Bildung erhielten:
- Adolf Emme wurde Zahnarzt in Hamburg. Seine Frau stammt aus Damnatz.
- Emilie (unverheiratet) wurde ebenfalls Zahnärztin in Hamburg mit eigener
Praxis. Zunächst war sie
als Dentistin einige Zeit in Dannenberg und hat dort im Rathaus
Sprechstunden angeboten.
- Karl Emme mit Frau Minna aus Quickborn arbeitete bei der Hochbahn in
Hamburg.
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Onkel und Tante wohnten noch ein knappes Jahr
bei uns und zogen dann nach Hitzacker. Aber sie sind bald gestorben.
Nach 40 Jahren Einsamkeit im Wald war die Stadt nichts für sie.
Wir hatten ein Feld am Hof und eine etwas entfernte Wiese für die Kühe.
Wenn die Weide allmählich abgefressen war, sagte Mutter: "Lisa, kiek mal
na' de Köh!" Dann nahm ich mein Stickzeug, ließ die Kühe aus der Weide,
setzte mich zum Hüten an den Waldrand und bestickte Tischdecken. Wie oft
bin ich wohl diesen Weg gegangen und wie viele Stunden hab ich wohl an
so einer Tischdecke gearbeitet? |
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Wir hatten mehr Milch,
als wir zu dritt gebrauchen konnten und haben viel Butter gemacht. Vater
hatte so eine Zentrifuge für die Milch gebaut. Die Butter haben wir
in Dannenberg verkauft. Lahrs haben viel abgenommen und auch
weiterverkauft.
Mutter hat auch Schweine angeschafft, damit wir die Magermilch
verfüttern konnten.
Federvieh hatten wir natürlich auch die ganze Palette: Hühner, Enten,
Gänse. Am Hof war ein kleiner Teich. Der war nicht tief. Aber für
Kinder eben doch. Wir hatten mal Besuch von Onkel Adolf aus Hamburg mit
meinem Cousin Hans, der war noch etwas jünger als ich. "Hans in den
Teich darfst du nicht reingehen. Der ist zu tief." hab ich gesagt. "Ach,
was du wohl hast." hat er gesagt. "Da gehe ich quer durch." Ich hab
gerufen: "Mama komm! Hans will da in
den Teich rein." Aber Hans da rein und gleich bis zum Hals
weg. Dann kam sein Vater. Ich rief: "Onkel Adolf, hilf dem Hans da raus!"
"Hast du ihm nicht gesagt, er solle da nicht reingehen." "Ja doch, aber er
hat ja nicht gehört." Da ruft Onkel Adolf zu seinem Sohn: "Sieh zu, wie du wieder
rauskommst“ und dreht sich um.
Und ich hatte Angst. "Gebt mir doch mal eine Latte, einen Stock." Den
hab ich dann reingehalten. Hans hat ihn gegriffen und damit hab ich
ihn rausbugsiert." |
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Ernst Baas hat eine zusätzliche Heuwiese bei Grabau in der
sogenannten Gemarkung „Große Weide“ gepachtet. Zur Heuernte muss man
mehrmals zu Fuß oder mit Fahrrad von Parpar über
Dannenberg nach Grabau. Beim Einholen der zwei Fuder Heu hilft Gerhard
Kotrade aus Tripkau mit Pferdegespann.
Gerhard Kotrade bewirtschaftet die Landwirtschaft des Tripkauer
Mühlenhofes. Sein Bruder Johann betreibt die Mühle und ist mit der
Tochter des Bürgermeisters Meyer aus Karwitz verheiratet. |
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Nach Schmardau konnten wir in ungefähr 20
Minuten zu Fuß gehen.
Da fällt mir noch eine Geschichte ein mit dem Fischer Kersting aus
Hitzacker. Der kam regelmäßig mit seinen Fischen über die Dörfer. Eines
Tages kommt er also von Schmardau durch den Wald, zu Fuß natürlich und
mit so einer Wassertrage über den Schultern, an der er zwei Körbe mit
Fischen hängen hat. Ich sehe ihn noch vor mir, wie er an den Zaun tritt
und meiner Mutter zuruft. Sie kommt aus dem Haus zu ihm an den Zaun und
merkt nicht, dass unser Hund ihr nachspringt. Und der springt sie von
hinten an und schubst sie gegen den alten Lattenzaun und der gibt etwas
nach, schwankt und stößt den Fischer. Der erschrickt sich so, dass er
umfällt und seine Körbe kippen aus und alle Fische liegen da am Boden.
Das Bild vergesse ich nicht. Das hätte man auch fotografieren müssen.
Wir haben alte Handtücher genommen und die Fische abgewischt. Mutter hat
ihm wohl auch einige abgekauft.
Es gab immer ein Problem mit Wasser. Als mein Vater die Stelle übernahm,
haben sie einen neuen Brunnen gebohrt. Ich glaube, sie mussten 54 Meter
tief. Eine große Schwengelpumpe wurde draufgesetzt, die man mit zwei
Leuten bedienen musste. Da brauchte man ganz schön Kraft. Wenn ich etwas
gelernt habe, dann habe ich das gelernt! |
Das Fischangebot im Fischladen von Kerstins in Hitzacker. |
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Außerdem war der
Brunnen ziemlich weit vom Hof entfernt, bei der großen Eiche am Weg nach
Lenzen. Wir benutzten zum Wasser holen auch eine Wassertrage über den
Schultern mit zwei Eimern dran. So mussten wir alles Wasser auch zum
Tränken für die Tiere holen. Wenn in trockenen Sommern der Brunnen
versiegte, musste von Lenzen Wasser gebracht werden.
Als dann ein neuer Förster kam, wurde
das anders. Er sagte: "Das ist ja eine Schlepperei für die Frauen und
ihre Tochter muss auch schon die schweren Eimer tragen. Wir werden mal
in Dragahn anfragen, ob sie nicht eine Wasserleitung herlegen wollen."
Da habe ich dann gesagt: "Die werden sicherlich nicht für diese zwei
Häuser eine so lange Wasserleitung legen."
Das war aber zu dem Zeitpunkt, als sie plötzlich hier überall Schilder
aufgestellt haben: Waaco. Das war eine Firma, die das Gelände irgendwie
vom Staat übernommen hatte. Die wollten wohl etwas bauen. Aber wir
wussten nicht worum es ging. Tatsächlich haben sie eine Wasserleitung
gelegt mit einem Pumphaus zwischen den beiden Höfen in Parpar. |
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Hof der Familie des Forstgehilfen Ernst Baas in Parpar. |
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Auf dem Feld haben wir
hauptsächlich Weizen angebaut. Futtergetreide wurde zur Mühle in Tripkau
zum Schroten gebracht. Aber zum Backen haben wir das Getreide selbst
gemahlen und gesiebt. Vater hatte da so eine Maschine gebaut, mit der
konnte er Korn mahlen. Aber ich konnte das nicht. Wir sollten für
Brotmehl kein Geld in der Mühle ausgeben. Irgendwann hab ich gesagt:
"Warum bringen wir das Korn nicht auch zu Kotrade nach Tripkau?" Und
dann bin ich mal hin und hab den Müller gefragt: "Herr Kotrade, können
sie nicht mal Weizenmehl machen." "Ja, Deern, wefehl wisst denn hem. Un
woför?" "To Bodderkook backen." Na, und dann hat er das genau so gut
gemacht wie wir.
Für Brot wurde Weizen, Roggen und Gerste gemischt und wir haben es nur
mit Sauerteig gemacht. Da hat Mama doll drauf geachtet. Die Gründe habe
ich aber nicht verstanden.
Das Backen in dem großen Ofen im Backhaus war herrlich. Das war
natürlich viel Arbeit. Den Teig haben wir ja in der Küche gemacht und
dann musste alles zum Backhaus getragen werden. |
Dort war vorher der große Ofen mit
Busch und Stangenholz geheizt worden. Wenn alles runtergebrannt war,
wurde die Glut rausgezogen. Dafür war vor dem Ofen ein Platz mit
Mauersteinen abgetrennt. Das ging früher nicht so pingelig zu. Am Ende
war immer etwas Asche am Brot oder am Kuchen.
Hauptsache war, dass die Hitze im Ofen stimmte. Um das zu prüfen, wurden
Strohhalme reingehalten und wenn die Ähren gleich schwarz wurden, war
der Ofen zu heiß und musste noch etwas abkühlen.
Ach, neulich traf ich eine alte Bekannte. Die hatte noch auf einem Acker
Ähren gesammelt. Da habe ich spontan gefragt: "Wo willst du mit den
Ähren hin? Du hast doch gar kein Backhaus mehr."
Auf die richtige Menge Holz zum Feuern im Ofen war Mutter drauf
kuraschiert (couragiert). Ich hab mich erst später dafür interessiert
und konnte das dann auch. Aber manchmal war mein Brot etwas
schwarz. |
Ein neues Bild vom Backofen in Parpar. Das Backhaus steht nämlich noch.
Es ist nur wenig ramponiert, aber vollständig von Bäumen und Gestrüpp
zugewachsen. Ein einsamer Spaziergänger wird es kaum im Wald entdecken.
Aber wenn doch, dann wird er sich an das Märchen von Hänsel und Gretel
erinnert fühlen. |
Wir haben das Brot
immer ohne Form gebacken. Irgendwann hab ich zu Mutter gesagt: "Andere
Leute haben solche Blechformen. Dann geht das Brot nicht so in die
Breite." Aber da meinte sie nur: "So veel Geld hem wi nich." Später
hatten wir dann doch solche Kasten. Damit ging das einfacher und schöner
und das Brot konnte auch nicht so schnell austrocknen.
Wir haben auch viel Butterkuchen gebacken. Paar wär´n glieks äten. Un de
annern wär´n wedder rinschoben. Die wurden zu "Bröcken" getrocknet und
konnten monatelang in Blechdosen aufgehoben werden. Und wenn du
Gesellschaft hattest: Du ha´s immer Bodderkook. |
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Pudripp |
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1938 war ich eine Zeit lang in Pudripp in
Stellung und zwar im Haushalt von Bürgermeister Rosien.
Herr Rosien hatte so einen langen Schnauzbart wie zu
Kaisers Zeiten. Was hat er sich immer an seinem Bart rumgedreht! So ein
Ding muss gepflegt werden. Mein lieber Scholli!
Ich erinnere mich auch an die Schmiede von Otto
Schulz. Da wurden auch immer die Hufe der Pferde der Waldarbeiter
beschlagen. Es wurde ja viel mit Pferden im Wald gearbeitet, besonders
zum Holz rücken, also die Baumstämme aus dem Wald an den Weg ziehen. In
der Schmiede hatte ich immer ordentlich Respekt vor dem Feuer. "Dass man
bloß nicht das ganze Haus abbrennt!" hab ich gedacht. |
In der Schmiede in Pudripp.
Pudripp) |
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Damnatz |
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Danach will Lisa eigentlich eine Zeit lang zuhause
bleiben, aber das Arbeitsamt Dannenberg verpflichtet sie gleich in einen
Haushalt in Damnatz. Dort hat Bauer Hermann Siems eine schwerkranke Frau
und zwei kleine Kinder. Lisa wird von ihrer
Mutter dorthin gebracht und fühlt sich zunächst von der Situation
überfordert. Sie will lieber wieder nach hause, als Frau Siems sie fragt, ob
sie gleich anfangen kann. Aber die Mutter redet ihr zu, weil sie die
schwierige Situation der Familie sieht. |
Einen besonderen Vorschlag hat Frau Siems noch: „Ick
heff ok noch een good Kerl för di. De Broder von mien Mann is de Möller
von Damnatz. Un de hat een groot Hoff. Un sien Frau is dot. He kümmt hüt
Obend.“ Lisa denkt aber nicht daran, sich überrumpeln zu lassen und will
noch lange nicht heiraten. Sie ist 19 Jahre alt. Beim Abschied fragt sie
die Mutter: “Muss ich dann den Mann heiraten“. „Nein, das ist doch
Quatsch, was die Frau da erzählt. Du musst dich da nicht verkuppeln
lassen.“
Lisa kommt nach und nach mit dem Haushalt zurecht. Denkt aber nicht ans
Heiraten, zumal sie erst später erfährt, dass Willi Siems ein
vierjähriges Kind hat und sehr viel älter ist als sie. Auch Hof und
Mühle reizen sie nicht. Sehr reizvoll findet sie allerdings, dass Willi
ein Motorrad hat. Und als er sie zu einer Fahrt nach Dömitz einlädt, nimmt
sie begeistert an und genießt trotz aller Bedenken die Fahrt hinten auf
dem Motorrad. |
Ansichtskarte von Damnatz- |
Hof in Damnatz. (Spätere Aufnahme. E. Kulke) |
Lisa soll zunächst nur aushelfen, solange Frau Siems im
Krankenhaus in Dannenberg ist. Sie bleibt dann aber noch einige Monate
länger. Frau Siems ist wieder schwanger und bekommt ihr drittes Kind.
Auch später fährt Lisa häufig übers Wochenende zum Helfen nach Damnatz. |
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Zusätzlich lernt Lisa weißnähen. Als Weißnäherin näht sie hauptsächlich
Oberhemden aus Leinen für die Bauern, die einen großen Bedarf haben. Sie
tragen täglich und nahezu ausschließlich solche Hemden. Lisa erinnert sich, wie
schwierig es war, diese Hemden nach der bäuerlichen Arbeit zu waschen. Sie
sollten ja immer wieder glänzend weiß sein. Meistens blieb am Kragen was
zurück. „Denn hest du mit de Soop sport“ hieß es dann. |
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"Als ich 19 oder 20 war, hatte ich viel
mit Dragahn zu tun. Es wurde dort gebaut. Auch viele Barracken, ein
Casino, Werkstätten und eine Werkskantine, in der wir einmal ein
Försterfest gefeiert haben. Das eigentliche Werksgelände durften wir
aber nicht betreten. Es wurde schwer bewacht. Wir wussten auch nicht
konkret, was dort gebaut wurde." Mehr über die Bombenfabrik in
Dragahn
Dragahn 1938-1945.
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Wir bleiben noch im Hohen Drawehn und betrachten das ehemalige
Heidedorf
Redemoißel
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(Seite erstellt im Oktober 2008) |
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